die beiden Protagonisten gaben in der letzten Woche grünes Licht und ich darf zitieren:
montags in der PE Juergen:
Ich sende euch herzliche Grüße aus Frankreich! Jose Maria:
Hallo Jürgen wo bist du?Juergen:
in St. Avold, tolle Lichtstimmungen unterwegs bei Regen und Sonnenschein Bremerin:
hast du eine gute Reise?Juergen:
jou, bin aber froh, wenn ich am Samstag zum Meisterkoch gehe Jose Maria:
St. Avold kenne ich. Da sind wir mal auf einer Forumstour durchgekommen sehr schön dort.Juergen:
Ich finde es überhaupt nicht schön hier. Es ist trostlos die Sonne scheint auch nicht und hier gibt es zu viele Berge Bremerin:
ach das schaffst du schon, ging mir anfangs auch so Juergen:
das war vielleicht eine Buckelei hierhin. 8 % 9 % 10 % rauf, ich bin groggy!Jose Maria: aber is doch schön oder wenn du dann oben bist Jürgen:
…….. ach Jose, ich liebe FlussradwegeJose Maria: mach langsam musst nur ruhig atmen Jürgen:
danke, ich versuchs, gleich gibt's Frühstück, ich packe jetzt und wünsche euch einen schönen Tag, bis bald tschööö
So oder ähnlich muss sich das an diesem Montag zugetragen haben
Nun kenne ich Jose Maria und Nicole persönlich und höre förmlich ihr Grinsen im Hintergrund…………..
Jose Marias Bemerkung
"is doch schön, oder?" begleiten mich nun über den nächsten Buckel und den übernächsten Buckel und den überüberübernächsten Buckel, im Prinzip den ganzen Tag und die ganze Tour und lassen mich dieses trostlose St. Avold, in dem sich der größte amerikanische Friedhof Europas befindet, vergessen. Es ist schön und Joses Worte verleihen mir Flügel! Ob nun ein Buckel oder ein Tal kommt, irgendwie ist es mir wurscht. Es macht nur noch Freude an diesem sonnigen Tag. Die Welt ist wirklich so, wie ich sie sehe.
Die Entscheidung, wohin mich der nächste Tag führen soll, war damit getroffen. Nein, nicht die Ausweichstrecke über Saarebourg am Kanal entlang nach Straßburg, sondern übern großen Buckel.
Durch kleine Dörfer, die mich mit ihren maroden Charme gefangen halten, fahre ich entlang der D22 und D27 Richtung Saarebourg , quere den Rhein-Saar Kanal und finde am Fuße des großen Buckels in Niederviller ein schönes Privatzimmer. Nicht nur sonntags sondern auch montags haben in Frankreich die meisten Restaurants geschlossen. Die Empfehlung der Wirtin, außerhalb des Ortes das Restaurant zu besuchen, war die einzige Möglichkeit für mich etwas zwischen die Kiemen zu bekommen und entpuppte sich mit einer riesigen Schweinshaxe nach 70 km als perfekter Ausgang eines wunderschönen Tages.
DienstagHeute, am 8. Mai, feiert Frankreich den Tag der Befreiung. Auch Frau Wirtin freut sich über diesen Tag. Lächelnd gibt sie mir abschließend einen Tipp für den weiteren Weg und meint, dass, wenn ich den Weg nach Dabo nicht schaffen sollte, dann könne ich oben beim Restaurant Schreiber links runter zum Schifflift fahren. Schifflift? Ja, den Schifflift, flötet sie und schon habe ich ein neues französisches Wort für „Schiffshebewerk“ gelernt.
Den Feiertag (am Abend werde ich wieder kein französisches Restaurant finden) nutzen viele Franzosen und sind bei dem Sonnenschein auf dem Rad unterwegs. Vor dem Anstieg nach Dabo sitze ich auf einer Trockenmauer, rauche gemütlich meine obligatorische Zigarette und guck in die Gegend. Dabei nicke ich freundlichst drei Rennradfahrern zu und erhalte als Antwort ein grinsendes
bon appetit. Da plagt einen schon manchmal das schlechte Gewissen und ich brauche mich doch wirklich nicht zu wundern, wenn mir oft die Luft weg bleibt und ich Schiss vor den Vogesen habe.
Es gibt hier im Forum einen Raucher, der sehr eindrücklich erklärt und beschrieben hat wie man gut einen Berg hoch und wieder runter kommt. Ich habe das für mich so interpretiert, dass ich langsam fahre, dabei ruhig atme, nämlich tief in den Bauch, und in Gedanken nicht schon wieder gestresst 500 m weiter bin. So schaffe ich Meter um Meter, sicherlich mit mehr Pausen als unsere Helden hier, den Berg hoch und freue mich wie ein kleines Kind, als ich oben am Col de Valsberg laut in den blauen Himmel brülle:
is doch schön, oder? Ja, es ist schön, hier oben zu stehen und den inneren Schweinehund besiegt zu haben. Für viele von euch mögen das ja alles Peanuts sein und lächerlich in ihren Ohren klingen. Für mich ist das überhaupt nicht lächerlich! Ich schreibe das hier auch so ausführlich, um den ein oder die andere zu ermutigen, gleiches zu tun.
Umso mehr freut es mich dann doch, als ein Mountainbikefahrer mit Bewunderung mein Fahrrad anhebt, dabei ein lautes
oh jeeeeee über die Lippen bringt und sich dabei fast das Kreuz durchbricht.
Die Abfahrt nach Wasselonne erlebe ich mit großem Respekt, mit großem Respekt vor denen, die sich waghalsig mit ihrem Reiserad in die Kurven legen und diese Geschwindigkeit - vielleicht wie in einem Rausch - erleben. Ich fahre eher langsam den Berg runter. Ja, ich fühle mich unsicher, habe Angst vor dem böigen Wind am Abgrund. Ich bin das erste Mal in meinem Leben auf dem Fahrrad in den Bergen. Nur da, wo es lange geradeaus geht, lass ich es laufen. Den Abend verbringe ich abschließend in einem China Restaurant in Wasselonne.
langsam atmen, dabei das Ausatmen nicht vergessen……
MittwochIn meinen Notizen steht:
der Tag des Gegenwindes. Herrschte auch in den letzten Tagen viel Gegenwind, so habe ich heute das Gefühl, als säße jemand in Basel mit einer übergroßen Windmaschine und bläst alle Luft gleichzeitig von Süd nach Nord durch das Rheintal. Selten war es, dass ich so etwas erlebt habe!
Im Elsass kullere ich mit 13 km/h bei beginnendem Regen durch Soultz-les-Bains auf der Suche nach einem Vordach. Aber als geborenes Glückskind finde ich die weltbeste Patisserie und komme aus dem Staunen nicht mehr heraus. Ich kaufe Schokolade, vertilge Himbeertörtchen zum Kaffee, um anschließend mit großem Herzschmerz die
Patisserie KlugesHerz zu verlassen und einen Radweg abseits der D422 zu finden, der mich ruhig nach Obernai führt.
Hinter Erstein überquere ich erstmalig die Ill
Anschließend geht es über den Rhein und ich fahre wider besseren Wissens bis zur Fähre bei Rhinau durch völlig verseuchtes Mückenland den Rheinradweg entlang. Von hier ist es dann nur noch ein Katzensprung nach Herbolzheim, meinem ersten Etappenzwischenziel.
Dabei komme ich durch Kappel-Grafenhausen. Hier endete vor drei Jahren der erste Tag meiner ersten Radreise nach 38 km. Fast wäre ich in der Hitze damals vom Rad gefallen und völlig fertig entstand an diesem Tag in meinem Kopf der Titel
"Soll ich mich quälen, oder..... Ich radle etwas wehmütig durch diesen Ort. Es hat sich viel getan bei mir, und heute von hier noch nach Emmendingen zu fahren, würde mir jetzt keinen Stress mehr machen. Ich bin froh, ein Reiseradler mit neu gewonnener Lebensqualität geworden zu sein, aber ich bin kein Bergteufel. Die geplante Fahrt hoch zur Route de Crete am kommenden Sonntag werde ich nicht machen. Bei der Planung im Januar muss ich doch irgendwie in einer manischen Phase gewesen sein.
Am Abend sitze ich in Herbolzheim mit Uwe und Moni auf der Terrasse. Die Kinder sind im Bett und hinter der Rheinschiene sind die Vogesen heute für mich mehr als nur eine Silhouette vor der untergehenden Sonne. Sie stehen dort, als seien sie das sichtbare Abbild meiner inneren Grenze. Bei einem der letzten Biere lehne ich das Angebot von Uwe ab, dass er mich mit seinem Auto hoch zur Crete fährt. Nein, ich möchte mit eigener Kraft durch das Elsass, den Sundgau und den Schweizer Jura den Bieler See erreichen. Basta. Und morgen mache ich nichts, gar nichts.
Willkommen in Deutschland Freitagnach dem gestrigen Ruhetag fahre ich heute 22 km bei 34° ins schöne Emmendingen, meinem zweiten Etappenziel. Hier habe ich sechs Jahre gelebt, bin meiner alten Heimat tatsächlich untreu geworden.
Ich trinke Kaffee, wo ich immer Kaffee getrunken hab. Ich besuche Maria und Antonello in der Vinoteca, wo ich so oft die weltbesten Involtinis gegessen, einen guten Primitivo getrunken und meinen letzten runden Geburtstag mit Freunden und Familie bis weit in den Morgen gefeiert habe.
Ich fahre die Wege, die ich immer gefahren bin, nur das kurze Stück zur Hochburg mit 12 % Steigung, das erreiche ich diesmal nicht zu Fuß.
Der kleine Schlenker über Windenreute öffnet mir den Blick auf das Panorama dieses wunderschönen Platzes. Auf der Domäne Hochburg angekommen, treffe ich meine alten Nachbarn und nach einer ordentlichen Dusche (ja doch, die kannte ich auch schon) treffe ich mich mit meiner ehemaligen Liebsten und ihren beiden Kindern im Eiscafe. Wir lassen diesen Tag am Abend friedvoll und freundschaftlich beim Grillen auf der grünen Wiese mit einem Panoramablick auf Kaiserstuhl und Vogesen ausklingen.
da hoch oben hab ich mal gewohnt……………
………………..mit diesem Blick auf Kaiserstuhl und Vogesen
SamstagErst am Mittag fahre ich los, aber ich hab's heute auch nicht weit bis zum nächsten Zwischenstopp auf dem Weg in die Schweiz.
Danke für Eure Freude und mir hat es Spass gemacht, mal wieder zu schreiben.
Herzliche Grüße
Jürgen