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... “Ist doch schön, oder?" Nach dem plötzlichem Abbruch meiner letzten Radreise
von Neuss nach Usedom, bedingt durch den Tod meines Vaters, habe ich wieder einmal drei Wochen Zeit an einem Stück und möchte zum Forumstreffen an den Bieler See fahren. Meiner Mutter ist das ein wenig unheimlich und ich verspreche ihr, sie täglich anzurufen.
Keine Bange, sie hat meine Reise in bester Laune und Gesundheit überstanden.
1. Teil von Neuss nach Schengen Grenz-Erfahrung D – B - LEs kam wie es kommen musste. Untrainiert lade ich mein neues Terra mit 28 kg Gepäck (incl. Wasser) voll, nein ich habe es nicht probehalber beladen, ich wollte einen direkten Vergleich zum Rotor haben. Deshalb habe ich die alte Packweise übernommen. Die ersten Meter fahre ich noch etwas wackelig, doch die nächste Unterführung mit 30 km/h lässt mich mutig die Hände vom Lenker nehmen und meinen Fahrradhändler, Herrn Just, freudig anrufen. "Hallo Herr Just, ich möchte Ihnen sagen, dass ab heute 157 kg in die Schweiz rollen".
Ich solle es nicht übertreiben, meint er. Wir lachen an diesem Samstagmorgen gemeinsam ins Telefon, und ich bin gespannt, was mich die nächsten drei Wochen auf dem Weg zum Forumstreffen in der Schweiz erwartet.
Über den lieblichen und Sonnenschein behafteten Erft-Radweg rumple ich vorbei an Kunst und Kultur, wunderschönen Bäumen, blühenden Wiesen und lass es mir so richtig gut gehen bis mir nach 20 km in Grevenbroich die Luft aus dem hinteren Reifen entfleucht. Bemerkenswerterweise habe ich den Ersatzschlauch im Fahrrad-Umbau-Zimmer vergessen. Freundliche Menschen stellen mir einen Eimer Wasser zur Verfügung und, während eines netten Gespräches mit dem Nachbarn, verabredete ich mich mit diesem zum nächsten Neusser-Bürger-Schützenfest.
"Wohin fährst du?" "In die Schweiz" "Wie, soweit. Echt?" Naja, von Neuss in die Schweiz ist es schon ein wenig weiter
Die Sonne und der Gegenwind begleiten mich auf der öden Strecke zwischen Erft und Rur bis in die tiefste Eifel, die mir aus Sicht des Auto- und Motorradfahrers heute sehr ungewohnt vorkommt.
Ich fange an, mich mit den -zunächst flachen- Steigungen anzufreunden. Das ändert sich aber schlagartig hinter Schevenhütte, als ich das erste Mal meine Fuhre den Berg hoch schiebe. "Das soll die Kaiserroute sein?" Ja, sie ist es uns sie bleibt es. Sie bleibt es bis Kornelimünster. Ein kleines Café lädt mich hier zu einer dieser wunderbaren Radfahrerpausen ein, in denen wir, die einsamen Ritter der Radwege
, freundliche Radfahrer-Pärchen treffen. Die beiden sind auf einem orangenem Tandem von Juchem unterwegs, das sie bei einem norddeutschen Händler als Maßanfertigung gekauft haben: "Wenn wir gewusst hätten, dass Juchem in der Eifel sitzt, hätten wir das Rad direkt hier gekauft". Wir sitzen entspannt in der Sonne, freuen uns des Lebens und sie flötet ihm sehr unschuldig, aber mit blitzenden Augen zu: "Wenn wir uns einmal trennen,mein Lieber, dann musst Du dir
die Neue nach der Rahmengröße aussuchen!" Aber so, wie die beiden drauf sind, werden sie auch heute und morgen noch zufrieden und zusammen Tandem fahren, auch wenn ihr Lieblingsverein, der FC, wohl demnächst wieder gegen Aachen spielen wird.
In Kornelimünster erwartet mich der sagenumwobene Vennbahn Radweg, der nach dem Versailler Vertrag, obwohl auf deutschem Staatsgebiet, den Belgiern gehört. Ich fahre also auf belgischem Staatsgebiet und links und rechts von mir ist Deutschland. Daher kommt die Situation, dass noch keinerlei Hinweisschilder zu finden sind, und im Falle eines Unfalls, sich das belgische Rote Kreuz mit den deutschen Maltesern um den Einsatz streiten wird.
Die fehlende Ausschilderung lässt mich dann den Vennbahn-Radweg hinter Waldheim und erneut in Kalterherberg verlieren und ich denke beim Schieben an die Gespräche mit Einheimischen vom vergangenen Abend in Konzen.
St. Mocca und der Schießbefehl an der westdeutschen Grenze:In den fünfziger Jahren kostete in Westdeutschland ein Pfund Kaffee ca. 16 DM. Im benachbarten Belgien kostete der Kaffee weniger als die Hälfte. Organisierte Kinderbanden schmuggelten den Kaffee Sackweise auf der Schulter und in teilweise abenteuerlichen Autokonstruktionen über die Grenze. Selbst Panzerfahrzeuge, Kinderwagen, Motorradgespanne und -natürlich- Fahrräder kamen zum Einsatz.
Die deutsche Staatsgewalt konnte den Verlust von Steuereinnahmen nicht hinnehmen und so entstand ein Kleinkrieg zwischen Zöllnern und Schmugglern, der dazu führte, dass massenweise Schmuggler inhaftiert worden sind. So sollen 100 Kinder eine Nacht im Kölner Klingelpütz verbracht haben.
Im Spiegel steht, dass von den deutschen Zöllnern 31 Schmuggler erschossen wurden. Andere Quellen sprechen von mehr als 50 Toten. An der ostdeutschen Grenze wurden im Laufe der Jahre, je nach Quelle, zwischen 78 und 245 Menschen erschossen. Ich werde auf meiner Reise in die Schweiz sehr lange an den ehemaligen Deutschen Grenzen entlangfahren und dabei sehr viele Friedhöfe sehen, die die brutale Handlungsweise unserer Eltern und Großeltern belegen. Dabei ist doch jeder Tote an einer Grenze ein Toter zu viel.Aber es gibt auch eine lustige Geschichte zum Bohnenkampf in der Eifel:
Der katholische Pfarrer aus Schmidt bei Aachen benötigte Geld für seine zerstörte und marode Kirche St. Hubertus. Von der Kanzel aus predigte er in das schlechte Gewissen seiner Schäfchen, sie mögen doch bitte Geld für den Wiederaufbau der Kirche aus ihren Schmuggler Einnahmen zur Verfügung stellen. Am nächsten Tag lagen über 250.000 DM im Kirchensäckel. Seitdem heißt die Kirche in Schmidt ganz einfach St. Mocca. Den Schmugglerkrieg beendete der deutsche Gesetzgeber übrigens mit der Senkung des Kaffeesteuersatzes.
Quellen:
Kaffeepanzer im Bohnenkampf „Die sündige Grenze“ Kaffeeschmuggel in der Eifel
Die völlig bescheuerte Querung des Vennbahnradweges an der HimmelsleiterDer Vennbahn-Radweg, mit Zig-Millionen Steuergeldern gebaut, endet östlich und westlich an der B258, bei der so genannten Himmelsleiter. Die Querung der B258 ist lebensgefährlich und wird zurzeit mit 2 m hohen Zäunen unterbunden, da hier auch in der vergangenen Woche ein Mensch getötet wurde. Wie soll es an dieser Stelle weitergehen? Die einen wollen eine Fahrradbrücke über die Straße bauen, die anderen bevorzugen einen Tunnel. In meiner Naivität frage ich einen Einheimischen, ob man nicht einfach eine Ampel installieren könne. Die Antwort war klar: "Neeeeeeein, das ist doch die Haupteinfallstraße in die Eifel. Man kann doch den Berufsverkehr für die wenigen Fahrradfahrer nicht stören!" Ich weiß nicht, was eine Ampelanlage kosten würde. Auf jeden Fall ist sie günstiger als eine Brücke, die wiederum nicht gebaut werden darf, weil sie die maximal erlaubte Steigung von 3 % auf dem Vennbahn-Radweg überschreiten würde. Die Hügel hinter Kalterherberg frustrieren mich und ich gebe meine Hoffnung auf, jemals wieder den Vennbahn Radweg zu finden. Bei herrlichem Wetter und nach unsinnigen Umwegen über Bülingen und sonstwo erreiche ich St. Vith und übernachte fast alleine in der Jugendherberge, begrüßt von einem Hitchcockartigen Gekreische hunderter Krähen in den Baumwipfeln.
Im St. Vith lerne ich, dass das Essen in belgischen Restaurants relativ teuer ist und entscheide mich für eine Pommesbude. Im Eiscafe lerne ich noch etwas: Alle sprechen Deutsch und auf meine Frage, warum das so sei, antwortet mir ein junger Belgier, dass Deutsch in Belgien dritte Amtssprache sei, und die deutsche Bevölkerung der Belgischen Ostprovinz einen besonderen Status habe. "Die Flamen und Wallonen mögen uns so gar nicht leiden!"
Zwischen St. Vith und Wiesenbach nehme ich die Straße und freue mich über 55 km/h.
In Wiesenbach (vor der Autobahnbrücke) finde ich meinen Vennbahn-Radweg wieder und bei 11° im strömenden Regen fahre ich von Baustelle zu Baustelle bis zum Abzweig nach Burg Reuland. Irgendwann höre ich ein schleifendes Geräusch. Ich denke, die Bremsen sind kaputt und stelle bei einem Bauern das Rad auf den Kopf. Ich finde nichts, packe die Taschen wieder auf, fahre weiter bis Ouren an der Our und beende den Tag nach unglaublichem 25 km mit einem herrlichen Abendessen in einem wunderschönen Hotel, das ich mir mit einer schwäbischen Rentnertruppe auf Fahrrädern teile.
Die Rohloff ist kaputt!!Frage an den Chef des Hotels: "Kann ich eigentlich auf deutscher Seite an der Our entlang bis Dasburg fahren?"
Antwort:" Ja sicher, fahren Sie bis zum Europadenkmal, überqueren die Brücke, schieben das Rad den Stichweg bis zur Forststraße hoch und folgen dieser bis Dasburg." Kann ja nicht so schwer sein, denke ich mir und folge den Anweisungen.
Das Schleifgeräusch der kaputten Bremsen vom gestrigen Tag nimmt zu. Da aber die Bremsen frei sind und nicht schleifen, muss es wohl die Rohloff sein, und auf dem empfohlenen Forstweg komme ich zu der Erkenntnis: "Die Rohloff ist kaputt".
An einer nicht ausgeschilderten Abzweigung misstraue ich dem Chef vom Hotel und folge dem Wegweiser zum Bergrestaurant. Ein fataler Fehler. Fahrradfahren ist mir hier nicht mehr möglich. Ich schiebe, zerre und schleppe meine Fuhre bei fürchterlichen Geräuschen aus dem Hinterrad den Buckel hoch. Nach ungefähr 300 Höhenmetern erreiche ich die Straße und treffe einen holländischen Reiseradler auf dem Weg in die Türkei, der mir im Brustton der Überzeugung klarmacht, er würde niiiiiiie wieder durch den Wald fahren. Kluger Mann!
Aus der Verabredung, in Dasburg einen Kaffee zu trinken, wird nichts, denn dieses Schleifgeräusch bringt mich um den Verstand. Was soll ich tun? Woher bekomme ich hier in der Pampa eine neue Rohloff? Hatte
peterxtr doch Recht?
Irgendwann kommt eine von diesen wunderbaren Bushaltestellen. Ich halte an und rufe meinen Fahrradhändler in Düsseldorf an. "Hallo Herr Just, ich halte jetzt mein Handy an die Hinterradnabe und demonstriere Ihnen, wie sich eine kaputte Rohloff anhört." Ich halte also mein Handy an die Nabe, schiebe mit der linken Hand das Fahrrad ein paar Meter und frage erneut: "Haben Sie dieses
krrrrrrrrrrrrrrschschsch gehört?“
"Jetzt mal langsam. Was ist geschehen? Schauen Sie bitte genau hin!"
Mich trifft der Schlag! Ich sehe völlig schief sitzende Schutzbleche, Gepäckträger und Taschen am Hinterrad. Dann schaue ich in gebückter Haltung noch genauer hin und bemerke, dass eine Schraube fehlt. Der ganze Krempel schleift mit dem Schutzblech übern Reifen und ich bin zu blöd, dass zu sehen. Da hat sich doch die linke Befestigungsschraube vom Tubus am Ausfallende los gewackelt und liegt sicherlich irgendwo zwischen St. Vith und Ouren auf dem Vennbahn-Radweg. "und, haben Sie wenigstens Schrauben dabei?" höre ich eine trötende Stimme aus dem Telefon? O.k., ich versinke vor Scham in den Asphalt, wünsche mir zwei bessere Augen und grinse doch über die Drohung, eine Rechnung für die telepathische Problembeseitigung zu erhalten. Mein Gott, war das peinlich.
Die Abfahrt mit neuer Schraube
und Sicherungsmutter nach Dasburg und der restliche Weg nach Vianden in Luxemburg ist entspannend auf Luxemburger Seite zu radeln und ich folge dem gut gemeinten Ratschlag eines Installateurs, ab Roth der Our bis Wallendorf auf deutscher Seite zu folgen. Das war ein guter Tipp.Typisch Handwerker. Abseits der N10 genieße ich kleinste asphaltierte Straßen und freue mich darüber, dass ich mittlerweile 8% Steigungen ohne Schieben hoch komme. Die Salbe hilft! Dazu muss ich erwähnen, dass ich mir vor der Abfahrt eine Beinsalbe aus dem Allgäu mit dem Wirkstoff der Latschenkiefer gekauft habe, um drohendem Muskelkater aus dem Wege zu gehen.
Ich bin begeistert. Bis in die letzte Zelle, bis hinter die tiefsten Sehnen krabbelt dieser Wirkstoff, erfüllt meine Beine mit wunderbarer Wärme und lässt mich abends sehr beruhigt einschlafen. Gibt es so eine Salbe eigentlich auch für die Lunge?
Das Gaybachtal, ein Tipp von
Uli, lasse ich aus, weil ich die Nase voll habe von Schlamm- und Naturwegen. Ich folge der Sauer auf Luxemburger Seite und bleibe dort bis Schengen an der Mosel.
Was wird mich in Frankreich erwarten?Sicherlich keine Flussradwege, keine lockeren Unterhaltungen in deutscher Sprache und keine ausgeschilderten Radwege. Doch ich sollte mich mal wieder täuschen.
Wie es weiter geht, erzähle ich euch in der Fortsetzung
"Vive la France!" Dann werde ich auch etwas dazu schreiben, wie es mit spanischer Unterstützung zum Untertitel
„is doch schön, oder?“ zwischen Manie und Depression gekommen ist.
Gruß
Jürgen
(nach Diktat verreist)
Patria denkt auch wirklich an alles!
meine
Ente "Ignatia" sah doch etwas ramponiert aus, brauchte Ruhe. Deshalb nahm ich Kermit mit, und sagte mir immer wieder "Sei kein Frosch, Jürgen."
Lebensgefahr an der Himmelsleiter
verschwendete Steuergelder
der Vennbahn Radweg in Belgien
Baustellen- statt Bahntrassen-Radeln
Ein freundlicher Bauer lässt mich aufs Heu
Die Brücke zum Drama an der Our...........
Hier geht's nach Dasburg
Vor Vianden
Auf deutscher Seite der Sauer ist es doch schöner
Irgendwie erinnert mich dieses Motiv an einen Kollegen, der auf Forumstouren gerne
in der linken Ortlieb spazieren fährt
an der Sauer
an der Sauer
wer Stahl kennt, nimmt Holz
Wieso spricht eigentlich niemand im Forum über die Dinge, die wir Reiseradler in der Fremde manchmal wirklich vermissen?
Nein, die meine ich nicht