Von der Moldau an den RheinLange hatte es gedauert, bis wir endlich wieder Urlaub hatten und die Vorfreude auf unsere nächste Tour war daher umso größer. Sonntagsabends flogen wir mit unseren gut verpackten Fahrrädern von Köln nach Prag. Dort hatten wir für zwei Nächte eine Pension gebucht, die unsere Erwartungen voll und ganz erfüllte. Hans, der Besitzer der Pension Karnet, hatte alles organisiert, sogar den Transfer vom Flughafen zur Unterkunft - toller Service! Voller Stolz erzählte er uns, dass sein Haus im Dessauer BAUHAUS-STIL erbaut worden ist und im Treppenaufgang der Pension hängen die Baupläne aus dem Jahre 1939.
Am Tag darauf frühstückten wir im Garten unserer Pension unter der Pergola und machten uns dann mit den öffentlichen Verkehrsmitteln auf den Weg in die Prager Altstadt. Schon sehr früh waren Heerscharen von Touristen in der Stadt. Es war schon toll diese alten Gebäude zu sehen, mit der Burg, die auf der Prager Kleinseite liegt, in der europäische Geschichte geschrieben wurde. Die Goldene Stadt, wie Prag auch genannt wird, wurde zum Glück während des zweiten Weltkrieges von Bombenangriffen verschont und bietet daher ein weitestgehend unversehrtes Stadtbild. Eine der Hauptattraktionen ist die Aposteluhr von 1410 an der Aussenseite des alten Rathauses, ein Meisterwerk damaliger Wissenschaft und Technik, ein wertvolles Kulturdenkmal. Am Abend wollten wir nochmal in die Altstadt um die beleuchtete Karlsbrücke und die Burganlage, den etwas durch die verschiedenen Baustile zusammengestöpselt wirkenden Hradschin, zu fotografieren, doch ein Gewitter mit heftigem Regenschauer machte unseren Plan leider zunichte.
Dienstags früh ging es dann ohne Prag bei Nacht nochmal gesehen zu haben los.
Die Pension liegt nur 200 m vom Radweg entfernt. Prag, obwohl es an der Moldau liegt, ist der Ausgangspunkt für den bikeline-Führer "Elbradweg". Das Wetter war toll, fast schon zu heiß. Kurz hinter Prag, vorbei an dem schönen Stadtteil Troja, entschieden wir uns nicht die Alternativstrecke oberhalb der Moldau zu fahren, sondern den knappe 40 cm schmalen Singletrail, auf dem es über Baumwurzeln immer haarscharf an der bis zu 4 m hohen Uferböschung der Moldau entlang geht. Obwohl es erst Anfang der Saison war, brachen schon viele Tourenradler gleichzeitig mit uns von Prag aus auf. Nachdem wir einige böhmische Dörfer passierten, die meisten schön renoviert, erreichten wir Melnik am Zusammenfluss von Moldau und Elbe. Weiter ging's dann durch das böhmische Becken mit seiner ausgedehnten Auenlandschaft bis nach Theresienstadt. Eigentlich wollten wir dort auf dem Campingplatz bleiben, aber die Wiese für Zelte war direkt hinter der Gaststätte und das gefiel uns garnicht. Wir entschieden uns daher, auf dem Campingplatz im benachbarten Leitmeritz unser Zelt aufzuschlagen. Zu trauriger Berühmtheit kam Theresienstadt durch das hier von der nationalsozialistischen Herrschaft errichtete Konzentrationslager.
Hinter Theresienstadt wechselte die Landschaft merklich und wir radelten nun durch das böhmische Mittelgebirge - das links und rechts des Elbtals aufragt. Vor allem mit dem stetigen und teils heftigen Gegenwind hatten wir so unsere liebe Mühe, was scheinbar aber nur uns unbekannt war. Denn tatsächlich kamen uns die meisten Radler entgegen, fuhren also von Nord nach Süd, und hatten wunderschönen Rückenwind. Trotz alledem erreichten wir am zweiten Tag die deutsch-tschechische Grenze bei Bad Schandau und waren mitten im Elbsandsteingebirge mit seinen imposanten Felsformationen.
Besonders sehenswert sind die Bastei und die Basteibrücke bei Rathen, sie gehören zu den Wahrzeichen der sächsischen Schweiz. Obwohl der Elbradweg flach verläuft, hatten wir vor allem in den Ortschaften kurze aber dafür knackige Anstiege. Vorbei an Königsstein und Pirna bauten wir dann Mittwochabends unser Zelt auf dem Campingplatz Wostra in Klein-zschachwitz auf. Wir waren schon gespannt auf die Dresdner Altstadt und vor allem auf die fertig gebaute Frauenkirche, denn seit 12 Jahren hatten wir Dresden nicht mehr besucht.
Der Radweg zur Innenstadt war schon in aller Herrgotsfrühe so stark frequentiert, dass er uns an das tägliche Treiben auf den Kölner Autobahnringen zu erinnern schien. Besonders gut gefielen uns die wunderschönen Palais, die entlang des Elbufers stehen, aber auch die Elbwiesen, die sich fast 20 Kilometer durch das Stadtgebiet ziehen, boten uns eine neue Betrachtungsweise.
Schnell tauchte dann die neugebaute und sehr umstrittene Waldschlösschenbrücke auf, einige Kilometer dahinter dann die Stahlbrücke "Blaues Wunder", eines der Wahrzeichen von Dresden. Drei Stunden ging's dann durch die wunderschöne barocke Altstadt Dresdens - vor allem bewunderten wir die Frauenkirche, deren Wiederaufbau fast ausschließlich aus Spenden finanziert wurde. Nach einem Besuch in der Dresdner Globi-Filiale machten wir uns wieder auf den Weg.
Hinter Dresden entschieden wir uns am linken Elbufer zu fahren, knappe 55 Kilometer erstreckt sich dort die sächsische Weinstraße, vorbei an Radebeul bis kurz hinter Meißen. Dort erwischte uns ein heftiges Gewitter und nur mit Mühe erreichten wir den Campingplatz in Strehla. Dieser liegt neben dem Schwimmbad hoch über der Elbe. Bei schönem Wetter hat man hier einen tollen Ausblick über die Elblandschaft. Nachts gesellte sich zu dem Regen ein heftiger Sturm der die Temperatur in den Keller fallen ließ. Noch am nächsten Tag hatten wir ganz schön gegen den Wind zu kämpfen. Kurz vor Torgau liegt, direkt an der Route, das Dörfchen Weißnig mit der ersten dt. Radfahrerkirche, die durch die Initiative: "Die Kirche im Dorf lassen" vor dem Verfall bewahrt wurde. Torgau ist, eigentlich mit seinem Residenzschloss Hartenfels, ein nettes Städtchen. Was uns aber über- haupt nicht gefiel ist, dass dort tatsächlich ein Bär im Stadtgraben lebt. Auf unserer USA Reise hatten wir mehrmals Bären in freier Natur erlebt, erbärmlich und traurig berührend, wie dieses Exemplar einsam zur Brücke hinaufschaute um nach Süßigkeiten zu betteln. Soderlich tierfreundlich und artgerecht erschien uns das nicht und es mutete uns doch befremdlich an, dass sonst keiner Anstoß daran zu nehmen scheint.
Hinter Torgau, zwischen Pretzsch und Mauken überquerten wir dann das erste Mal mit einer Fähre die Elbe.
Das erste Highlight in Sachsen-Anhalt ist die Lutherstadt Wittenberg. Hier schlug der Reformator 1517 an der Schloßkirche seine 95 Thesen an und revolutionierte damit die damalige Kirchenwelt. Die gesamte Innenstadt ist geprägt von Luther und seinem Mitstreiter Melanchthon. 2017 wird dann in Wittenberg der Ausnahmezustand herrschen, zum 500. Jahrestag des Thesenanschlags. Von dort aus führte uns unser Weg weiter nach Coswig, wo man gerade das 825-jährige Bestehen mit einem Mittelalterspektakel beging. Wir radelten mitten durch ein Heerlager des 19. Jahrhunderts, ein richtiger Spaß, die Festlichkeiten wurden vom MDR übertragen. Die verbleibenden 20 km bis Dessau waren sehr abwechslungreich, wir radelten durch Wälder und entlang von Feuchtwiesen die zum Biosphärenreservat Mittelelbe gehören. Das Gebiet ist das größte zusammenhängende Auenwaldgebiet Europas. Bevor wir den Elbradweg verließen, um den R1 in Richtung Münster zu folgen, besuchten wir in Dessau das "BAUHAUS", das zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört. Das Gebäude wurde nach Entwürfen von Walter Gropius 1925/26 errichtet. Auch in Dessau war allerhand geboten, ein Rockkonzert und ein Seifenkistenrennen in der Innenstadt waren gerade im vollen Gange.
Der Radweg R1 führt durch das Örtchen Reppichau, welches auf besondere Weise seinen berühmten Sohn, den Ritter Eike von Repgow ehrt. Er gilt als Verfasser des ersten deutschen Rechtsbuches, dem Sachsenspiegel, und hat daher für die deutsche und europäische Rechtsgeschichte Bedeutung. In ganz Reppichau stehen überlebensgroße Figuren, die Szenen aus der Rechtsprechung des Sachsenspiegels darstellen.
Wir fuhren nun von Ost nach West, und auch der Wind schien sich mit uns gedreht zu haben, denn er kam immer noch von vorne. Der R1 ist hervorragend ausgeschildert, dennoch sind wir kurz hinter Großpaschleben in die Schilderfalle getappt. Wir radelten die R1 Alternativroute und kamen so nach 20 km wieder an unserem Ausgangspunkt an. Pech gehabt! Wer weiß wozu es gut war. Zwischen Bernburg und Nienburg ging's ein kurzes Stück entlang der Saale bevor uns dann strömender Regen den ganzen Nachmittag begleitete; nach 5 Stunden waren wir komplett durchnässt. Da wir für den Abend sowieso eine Jugendherberge zur Übernachtung geplant hatten, entschieden wir uns dann im Schadeleben in die kleine Pension Robinienhof zu gehen, was sich als besonderer Glücksfall erwies. Der Robinienhof ist ein von der Familie Kern liebevoll restauriertes altes Bauernhaus, dessen besonderer Detailreichtum uns begeisterte und nach einer heißen Dusche war die Welt wieder in Ordnung.
Am nächsten Morgen fuhren wir in das 12 km entfernte Quedlinburg, ein Abstecher der sich wirklich lohnte. In der Innenstadt steht ein Fachwerkhaus neben dem anderen, kleine enge Gassen, wie der Schuhhof und der Marktplatz prägen das Stadtbild. An Thale radelten wir vorbei, die Wanderung zu dem gekannten Hexentanzplatz heben wir uns für den nächsten Besuch auf. Die Flachetappen hatten wir nun hinter uns, ständig ging es bergauf und bergab, wir waren im Harz angekommen. Von Blankenburg aus radelten wir hinauf zum Kloster Michaelstein, die Klosteranlage wird vielseitig benutzt und wird derzeit renoviert. Noch bevor wir unser Zelt in Bad Harzburg aufstellten, kamen wir an Eckertal vorbei mit seinem kleinen Grenzbach, der die ehemalige deutsch-deutsche Grenze markierte. Am nächsten Morgen ging es weiter nach Goslar, die Zufahrt zur Altstadt war nicht besonders eindrucksvoll. Etwas spektisch daher, stimmten uns die Kaiserpfalz und die tolle Altstadt doch schnell um! Entlang der Gose stehen wunderschön renovierte Fachwerkhäuser und die kopfsteingepflasterten Gassen versprühen einen romantischen Charme.
Wieder auf dem R1, am Ortsrand von Bilderlahe, trugen wir uns ins Radler-Gästebuch ein, ein Büchlein, das samt Stift, in einem kleinen Kasten direkt an der Strecke liegt. Wir fanden das richtig nett!
Wir schliefen dann in Einbeck im Gästehaus des Deutschen Roten Kreuzes, das einzige freistehende Fachwerkhaus der Stadt, und das tolle war, wir waren die einzigen Gäste. Die Einbecker Altstadt ist ein wahres Freilichtmuseum, denn die Fachwerkhäuser sind reich verziert und farbenprächtig bemalt. Die Bauweise des Alten Rathauses mit seinen drei vorgesetzten, spitzen Türmen ist wirklich einzigartig und sehenswert.
Kurz vor Höxter erreichten wir dann Schloss Corvey, im Tal der Weser, welches 882 als Benediktinerabtei gegründet wurde. Wohl berühmtester Sohn der Abtei ist Widukind, der im zehnten Jahrhundert die "Sachsengeschichte" schrieb und damit eines der wichtigsten Zeugnisse der damaligen Zeit hinterließ. Im Klosterfriedhof befindet sich überdies das Grab von Hoffmann von Fallersleben, der den Text zur deutschen Nationalhymne schrieb (die Melodie stammt von Haydn und war ürsrünglich dem österreichischen Kaiser gewidmet). Nachmittags herrschte in Höxter reges Markttreiben, leider holte uns dort auch der Regen wieder ein. An diesem Tag fuhren radelten wir unsere längste Tagesetappe mit 130 km bis nach Horn, dort übernachteten wir in der Jugendherberge, um am nächsten Morgen die Externsteine zu besichtigen. Die Externsteine sind eine markante Standstein-Felsformation im Teutoburger Wald und eine herausragende Natursehens- würdigkeit, manche sind bis zu 38 m hoch. Aufgrund des Steinreliefs "Kreuzabnahme Christi" waren sie auch lange Zeit das Ziel von Wallfahrten. Zum Glück waren wir schon morgens um 8 Uhr dort, denn anhand der großen Parkplatzanlage kann man erahnen, dass die Externsteine ein beliebtes Ausflugsziel sind. Vorbei an Detmold, von weitem konnten wir das Hermannsdenkmal sehen, waren wir nun am vorletzten Tag unserer Tour angekommen. An Fronleichnam waren bei tollem Wetter sehr viele Radler unterwegs. Die Tour führte kilometerlang durch die Vororte von Gütersloh, erst bei Marienfeld ging es dann entlang der Wiesen und Kornfelder Richtung Münster. Abends zelteten wir am Campingplatz in Warendorf, um von dort aus am nächsten Morgen die letzten 30 km nach Münster zu radeln. Nach einer ausführlichen Stadtbesichtigung fuhren wir zum Hauptbahnhof und mit dem Zug zurück nach Köln. Gerne hätten wir auch noch die letzten 250 km bis Köln mit dem Rad zurückgelegt, doch leider war unser Urlaub zu Ende und die letzte Etappe fiel sozusagen Aeolus zum Opfer, der uns so reich mit Gegenwind beschenkt hatte.
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