Nun die ...
Tour 2: Vom Montafon zu Inn, Isar, Karwendelgbirge und Werdenfelser Land5 Tage | 492 km | 6640 Hm
Do 29.9.
Stuttgart || 14:02-16:54 || Lindau - Bregenz - Dornbirn - Götzis - Rankweil - Satteins - Nenzing - Bludenz - Schruns - Außerziggam/St. Gallenkirch91 km | 17,6 km/h | 5:07 h | 530 Hm
E: GH Rössle (Nenzing): Schweinemedaillons im Speckmantel m. Champignon-Schmorsauce, Gem., Spätzle, Apfelstrudel, Rw 24,60
Ü: C Waldcamping 0 €
Diesmal kann ich für den ersten Tag keine Geheimtipps verbuchen – im Gegenteil: Die Route ist sogar noch bis in den nächsten Tag hinein bis Partenen nahezu identisch mit meiner
2005er Alpentour. Das erklärt auch, dass ich nach dem Abendessen in Nenzing noch lange durch die Nacht auf der flachen Montafon-Route gefahren bin – zumal die unangenehme Nebelfeuchte vom Bodensee her im Montafon einer trockenen Nachtmilde gewichen war.
Ein paar Anmerkungen seien aber dennoch gemacht, da ja nicht jeder Leser die Route kennen kann. Unbedingt sollte man bei Götzis der Abzweigung nach Rankweil über Klaus (ja, das ist ein Ortsname!) folgen, nicht der Hauptstraße nach Feldkirch. Hier durchfährt man ein kleines, schattiges Seitental, das wenig befahren ist. Auch die folgende Route von Rankweil nach Satteins verläuft nicht im Tal der Bundesstraße, sondern durch ein ruhiges Nebental mit dem Schwarzen See über einen Hochpunkt. Im eher flachen Montafon gibt es eine offizielle Radwegroute bis Partenen, vielfach finden sich aber beidseitig des Flusses Radweg oder Wohnstraßen zum ruhigen Radeln. Die wenigen kleinen Rampen sollten auch für Flachradler kein Problem sein. Kurz vor St. Gallenkirch (nach dem Waldcamping) beginnen erste kräftigere Steigungen – soweit Radweg, geht es dort sehr hügelig zu. Ich bin diesmal diesen Teil bis Partenen auf Straße gefahren – soweit möglich durch die Dörfer.
Das Rössle in Nenzing bietet schon bessere österreichische Küche in einem rustikalem Holzambiente an – der recht hohe Preis ist berechtigt, wenngleich man die gesamte Arlberg/Lech/Montafon-Region als nicht gerade preiswert bezeichnen kann. Das merkt man sogar an den Marktpreisen in Bludenz. Selbst an Feldkirch erinnert mich eine völlig überteuerte und lautstarke Hotelübernachtung.
Das Montafontal ist mittlerweile gegenüber 2005 nochmal dichter bebaut, entsprechend ungünstig ist das Wildcampen. Es ist gar nach Mitternacht, als ich nicht mehr weit von St. Gallenkirch einen Waldcamping entdecke, dicht neben der Straße, die Zugänge zu den Sanitäranlagen zwar verschlossen, aber ich brauche sie eigentlich auch nicht. Die Betreiber haben wohl ein Haus direkt anbei, aber um diese Zeit klingelt ja niemand mehr – erst recht nicht in Österreich. Trotz romantischem Mondschein inmitten dunkler Bergnacht versagt der Restverkehr auf der Straße vollendete Schlafruhe. Ich empfehle daher, nach Möglichkeit den letzten Camping in Gaschurn weiter oben anzustreben. In Partenen gibt es auch noch Gasthöfe – je weiter oben, desto weniger Durchgangsverkehr – die Silvrettastraße ist ja nachts ganz gesperrt. Noch traumhafter ist es natürlich, direkt auf den Passhöhen zu übernachten. Am Zeinisjoch kann man wohl auch Zelte beim Gasthof offiziell aufstellen, auf der Bielerhöhe habe ich mal sehr schön im Hotel gewohnt direkt mit Silvrettablick über dem Stausee.
Fr 30.9.
Außerziggam/St. Gallenkirch -Partenen - Zeinisjochstraße - Zeinisjoch (1822m) - Galtür - Ischgl - Landeck - Fließ - Pillerhöhe (1558m) - Wenns - Arzl - Haiming112 km | 14,6 km/h | 7:36 h | 1930 Hm
E: Asia-Restaurant Camping: Wan Tan, Ente m. Ananas, Reis, Bier, Espresso 18,40 €
Ü: C Oberland 10 €
Entgegen dem Abend ist jetzt doch morgens sehr kalt. Auf dem kleinen Stück zwischen Außerziggam und St. Gallenkirch fallen mir trotz dünner Ganzfingerhandschuhe fast die Hände ab – ohne Kaffee geht es also nicht weiter. Nach ein paar Gesprächen mit Einheimischen in der Bäckerei bin ich wieder aufgewärmt und die Wetterlage stimmt auf Sonne ein.
Nach Partenen muss man erst die Mautstelle der Silvrettastraße passieren, bevor etwa eine Kurve weiter der Abzweig zum Zeinisjoch folgt. Die Straße ist nicht allgemein freigegeben – nur Lieferanten, Service, Anwohner und Radfahrer dürfen die sehr schmale Westroute befahren. Die Ostroute hingegen ist für den Verkehr vollkommen freigegeben – so darf man sich nicht wundern, oben auch Busse vorzufinden – etwa zwecks Besichtigung des imposanten Staudamms. Die Route ist zunächst bewaldet und mehrere Panoramapunkte geben den Blick frei auf Gaschurn/Partenen im Tal, die Silvrettagruppe oder auch die Serpentinen der Silvrettastraße. Durch die rötliche Herbstfärbung der Gräser und Sträucher haben die Berge wieder einen ganz anderen Reiz als in den grünen Sommermonaten.
Es folgt eine flachere Bergweidelandschaft auf gleicher Höhe zum Bergbach. Am Ende der Wiesen hebt sich der Staudamm fast unscheinbar als Teil der Bergwelt empor. Die Staumauerhöhe bewältigt man wiederum steil und kehrenreich nördlich der Staumauer, zunächst im Wald, dann in freier Berglandschaft. Hier gibt es auch einen Abzweig eines weiteren Fahrweges (Piste) in Richtung Heilbronner Hütte. Dieses beliebte Wandergebiet der Verwallgruppe verfügt über mehrere Hütten, die noch aus Tradition raus vom Deutschen Alpenverein betrieben werden. Laut eines Mitgliedes des Vereins auf der Messe CMT ist eine Raddurchfahrt ins Verwalltal (weiter nach St. Anton oder Arlbergpass) bzw. durch das Silbertal (zurück nach Schruns im Montafon) durchaus möglich. Es gäbe nur ein kleines Stück, wo man das Rad wohl tragen müsse, sonst aber Fahrweg. Der Pisteneindruck an der Abzweigung ist jedenfalls gut.
Der Kops-Stausee zählt zu einem weitmaschigen Wasserenergiesystem, das mit mehreren Wasserspeichern im Silvrettabereich verknüpft ist. Nach dem ersten Werk 1969 wurde 2008 ein zweites Pumpspeicherwerk am Kopssee errichtet, wobei die Turbinenleistung um 42 % und die Aufnahmeleistung im Pumbetrieb sogar um 85 % gesteigert wurde. Die Energie fließt nicht nur nach Tirol und Vorarlberg, sondern auch an die baden-württembergische EnBW. Es gehört zu dem europäischen System für Spitzen- und Regelenergie, wie sie in Zukunft immer wichtiger wird, um schwankenden Strombedarf gerade nach der Krise der Atomkraft abzusichern.
Der höchste Punkt folgt kurz nach der Mulde beim zweiten Stausee mit dem Gasthof. Bis zur Einmündung auf die Silvrettastraße ist es dann nicht weit. Insbesondere für die, die von Ostseite auffahren wollen, sei gesagt, dass ich unterhalb einen Fahr- und Wanderweg gesehen habe, der offenbar nach Galltür führt und damit eine Alternative zur Straße bietet. Im Paznauntal sind mir ein paar neue Lawinenschutzgalerien aufgefallen, die noch nicht alle freigegeben sind. Denkbar ist hier, das Autos und Räder zumindest auf Teilstrecken demnächst getrennt werden. Der Abstecher in den Ort Ischgl brachte mir die Erkenntnis, das Luxushotels auch nicht vor Presslufthämmern gefeit sind. Lärm ohne Ende direkt vor dem ersten Haus des Ortes, was nutzt da die goldene Badewanne. Es ist ja keine Hochsaison und das heißt eben Bauzeit.
Nach einem kleine Stück Inntal erreiche ich den Abzweig zur Pillerhöhe. Es gibt genau betrachtet 2 ½ Varianten zur Pillerhöhe von der Inntalseite. Eine führt von Prutz über Kauns von Süden heran – diese eignet sich insbesondere für jene, die noch die Kaunertalgletscherstraße mit im Programm haben. Über den meinigen Weg via Fließ gibt es eine offizielle, offenbar bereits entschärfte Variante, die aber immer noch steil ist. Eine alte Strecke, deren Verlauf ich nicht genau ausmachen konnte, soll für jene sein, die sich noch einen zusätzlichen Endorphinstoß geben möchten.
Besonders reizvoll ist der untere Teil mit den hübschen Kirchen und Kapellen teils in die Bergwiesen eingebettet und von der Kulisse der Ötztaler Alpen umgeben. Dazu kommt noch das Schloss Bidenegg oberhalb der Straße.
Die Passhöhe selbst ist durch Nadelbäume ohne Aussicht, jedoch findet sich das grandiose Bergpanorama wenig weiter südlich nebst Parkplatz, Gasthaus und einem Museum für alpenländische Natur. Auf der Pillerhöhe selbst stehen seltsame Figuren und Säulen – die genaue Betrachtung ergibt, dass es sich um eine Darstellung für die Opferkulte handelt, die hier in der Bronzezeit bis hin zur moderneren Römerzeit stattfanden. Im Jahre 2001 machte der Hobbyarchäologe Franz Neururer hier ein bedeutsamen Fund mit ungefähr 350 Bronzegegenständen (
Bronzezeitlicher Schatzfund vom Moosbruckschofen am Piller). Die meisten Funde hier datieren aus der Zeit um 1350 v. Chr., der Ort diente etwa 2000 Jahre zwischen 1500 v. Chr. bis 500 n. Chr. als (Brand-)Opferplatz, wobei sich die Rituale und Opfergaben über die Zeit änderten. Der Ort war denn auch Thema des
Bilderrätsel 740.
Auf der Nordostseite geht es durch Wald und vorbei an einem idyllischen kleinen See hinunter zu einer dichter besiedelten, offenen Almwiesenlandschaft. Bei Wenns fließt die Piller in die Pitz, die nach Norden ein lang gezogenes Stichtal in die Ötztaler Alpen bildet. Die Straße bleibt lange oberhalb des Tales und fällt erst kurz vor dem Inn deutlich ab. Fazit der Pillerhöhe: Reizvolle und anspruchsvolle Alternative zur Inntalstrecke Imst – Landeck, würde sie aber nicht zu den neudeutsch gesprochenen Must-Haves zählen.
Die Inntalstrecke (Straße) fortan ist nur Pflichtprogramm bis zum nächsten Basispunkt. Praktisch in Badeschlappenweite ist das neue und offenbar beliebte Asia-Restaurant gleich beim Camping in Haiming, dort kann man auch Hotelzimmer belegen. Nachteilig für den Morgen: Bäckereien und Supermarkt gibt es im Ort nicht, Selbstversorger müssen sich nach Ötztal-Bahnhof oder Silz orientieren, wo man vielleicht etwas Nahrung erhält. Ansonsten muss man hungern, wie das in Österreich wohl zum ländlichen Standard gehört.
Sa 1.10.
Haiming - Silzer Sattel/Haimingerberg (1690m) - Ochsengarten - Kühtaisattel (2017m) - Sellrain - Kematen - Kranebitter Auen - Leithen (1009m) - Seefelder Sattel (1185m) - Porta Claudia/Scharnitzpass (955m) - Mittenwald - Camping Isarhorn95 km | 12,6 km/h | 6:59 h | 2045 Hm
E: GH Stern (Mittenwald): Schweinebraten, Knödel, Rotkohl, Bier, Espresso 14,10 €
Ü: C Isarhorn 0,50 €
Der Silzer Sattel, auf dem Passschild schlicht als „Sattele“ bezeichnet, gehört zu den weitgehend unbekannten Pässen, da auf durchschnittlichen Straßenkarten bestenfalls als grauer Fahrwegfaden zu erkennen. Die Straße ist aber durchgehend für den Verkehr freigegeben. An der Passhöhe befindet sich ein kleines Hochmoor und ein Parkplatz dient Wanderern als Startpunkt. Die meisten Autos fahren von der kurzweiligen Südseite aus dem Nedertal an. Für die Auffahrt empfehle ich ohnehin die landschaftlich abwechslungsreichere und auch längere Nordseite.
Quasi über dem Camping bereits mit seinem Kirchlein zu sehen, finden sich in Höpperg noch ein besseres Hotel und ein durchschnittlicher Berggasthof. Damit hat sich das Zivilisatorische am Silzer Sattel weitgehend erschöpft. Zum Wildcampen ist der Haimingerberg aufgrund der vielen Steillagen aber nicht geeignet, im oberen flachen Teil ist Naturschutzgebiet. Bei der Auffahrt hat man mehrfach ein tolles Panorama ins Inntal und dahinter liegende Bergketten, nach Osten wie nach Westen. Auf Mooswald folgen Heidelbeersträucher (etwas spät zwar, ein paar Blaubeeren waren aber noch dran) und das Moorgebiet. Die kurze Abfahrt führt überwiegend durch Nadelwald, in Ochsengarten finden sich dann zwar Gasthof und Bienenlehrpfad, aber keine Selbstversorgerquelle. Fazit: Verkehrsarme, lohnenswerte Ostvariante für den Kühtai mit ein paar zusätzlichen Höhenmetern gegenüber dem Basisort Oetz. Über die Schwierigkeit muss ich nichts sagen – wer den Kühtai fahren will, muss diesen Berg auch schaffen können.
Obwohl ich den Kühtaisattel bereits aus umgekehrter Richtung ebenfalls von einer Herbsttour kannte, stellte sich mir insbesondere die Westseite ganz neu dar. Das mag auch an der zu flotten Abfahrt liegen, die man solche Berge herunterstürmt, um Bremsgummi zu sparen.
Sonne und Herbsttönung sorgen für faszinierende Bergansichten. Leider hat sich der Kühtai (eigentlich einer Wintersportort – Achtung, hässlich!) nun auch in der Zwischensaison zu einem Ausflugseldorado entwickelt. Das ist insofern lästig, dass die Autofrequenz ziemlich hoch ist und nicht gerade wenige Quietschreifen-Show-Car-Lenklümmel die Bergwelt missbrauchen.
Ich würde schlicht eine PS-Sperre verhängen: Alles über 50 PS darf den Berg nicht hoch – pasta!
Dieser aufkeimende Nebensaisontourismus hat natürlich auch seine Vorteile. War doch vor genau 5 Jahren kaum Essen und Unterkunft zu finden (nur die Dortmunder Hütte hatte auf), so haben mittlerweile mehrere Hotels noch geöffnet. Selbstversorgung ist aber auch hier kaum möglich, das labbrige Brötchen hat einen Fürstenpreis. Dumm eigentlich, denn im Sellraintal ist man schnell und dort gibt es sogar echte Bäckereien.
Noch besser durch Kematen durchfahren, am Ortsausgang Richtung Innbrücke ist ein Bistro-Bäcker-Cafe, wo man sich aus einer riesigen Auswahl von Brotspezialitäten bedienen kann, auch für Frühstücksbüffet und richtige Speisen, großräumiger Innen- wie Außenbereich. Verführerisch und lecker, Geld ist aber schnell weg.
Es ist sommerheiß und mich lockt das Innsbrucker Alpen-Hawaii.
Das ist ein Sandstrand am türkisblauen Inn bei den Kranebitter Auen, nicht weit von Flughafen entfernt (Anfahrt nach der Brücke nur über die Bundesstraße möglich). Der Platz ist beliebt bei Nacktbadern, das Hawaii-Feeling ist nicht übertrieben – allerdings ist längeres Schwimmen aufgrund der Strömung nicht möglich. Doch ich will ja eh nur Faulenzen und meine verdientes Mittagspicknick einnehmen. Hier überfällt einen natürlich dieser Widerspalt zwischen Genussfaulenzen und Genussradeln.
Am Zirler Berg ist es bei solchem Wetter sehr schweißtreibend, da dort der Fels die Sonnenwärme speichert und reflektiert. Dazu kommt ein wirklich höllischer Verkehr und Steigungen für Hardcore-Wadenbeißer. Für LKWs und Busse gibt es sogar eine Notspur bergab. Sofern die Bremsen versagen sollten, können sie auf einen Gegenhang leicht abzweigen und „aufrollen“. Offiziell soll ja die Abfahrt für Radler verboten sein, deswegen lässt sich diese Strecke legal nur aufwärts fahren. Es ist mal wieder so einen Schwachsinn, der nur einer weltfremden Autofahrersicht entspringen kann – müsste demnach der Kühtaisattel erst recht für Radler gesperrt werden und zahllose weitere Alpenpässe dazu.
Trotz des Verkehrs kann man bei guter Fernsicht ein wundervolles Panorama genießen, an einem Gegenhang schiebt sich auf einer ausgeklügelten Spur die Mittenwaldbahn nach oben. Die Besichtigung von Seefeld ist eine ziemliche Enttäuschung und wer es eilig hat, kann es auch auslassen. Natürlich kann man sich am Outdoor- und Luxusshopping beteiligen oder dem Flaniervolk ihre Vermögenswerte von den Lippen ablesen versuchen, auch müsste man hier nicht verhungern und könnte vornehm logieren – aber irgendwie fehlt dem Ort ein überzeugender Charakter, er ist weder hässlich noch schön, sogar der Kitsch ist beschränkt, das ist ehrenwert, aber nicht überzeugend. Ex-Olympiaort und dicke Brieftaschen allein machen noch keinen Charme.
Die Zeit eilt für den Rest des Tages, auch wird es mit dem Fall der Sonne recht schnell kühl. Die Route von Seefeld nach Mittenwald über Scharnitz ist aber noch einfacher zu strampeln als über Leutasch, sodass ich rechtzeitig zur Dämmerung die Geigenstadt im Werdenfelser Land erreiche. Nach dem Essen im überfüllten Biergartenrestaurant finde ich im unangenehmen Nachtnebel der Isarauen keinen geeigneten Wildcampingplatz – Kasernengelände oder landwirtschaftliche Nutzflächen. So radele ich noch bis zum Camping Isarhorn und komme noch zu einer warmen Dusche (Geldmünze). Die Kneipe ist auch noch auf, aber niemand möchte meinen Platz abrechnen – am nächsten Morgen ist dann niemand da.
So 2.10.
Camping Isarhorn - Mittenwald - Scharnitz - Karwendeltal- Karwendelhaus - Hochalmsattel (1791m) - Johannestal - Großer Ahornboden/Engalm - Vorderriß85 km | 12,8 km/h | 6:22 h | 1140 Hm
B: Erntedankprozession Mittenwald 0 €
E: SV im Biergarten Alte Post (Essen ausverkauft!): Bier, Brot, Espresso 5,90 €
Ü: C wild 0 €
Weil meine Planung ins Wanken geraten war, musste ich eine Alternative finden. Ein Einheimischer, älterer Mountainbiker empfahl mir am Vorabend im Gasthof, ich solle das Karwendeltal fahren – die Route sei auch mit meinem Rad gut zu fahren. Ich hatte darüber zwar im Internet anderes gelesen, traue aber mal dem Lokalwissen – wie sich rausstellt, berechtigt.
Bevor ich aber bei traumhaften Sonnenwetter ins Pedal trete, deutet sich in Mittenwald Großes an. Auf Nachfragen verspricht man mir einen großen Festumzug mit allem Brimborium. Es handelt sich um eine Erntedankprozession. Ich muss warten, ohne Gottesdienst geht es in Bayern natürlich nicht. Die Wartezeit kann ich noch mit der am Abend zuvor begonnenen Besichtigung der Lüftlmalerei fortsetzen. Die Tradition der Freskenmalkunst aus dem 18 Jahrhundert wird bis heute gepflegt, sodass sich hier alte und neue Darstellungen mischen – die Motive sind indes nicht wirklich moderner geworden. Mittenwald war etwa 200 Jahre lang zwischen Renaissance und Barock offizielles Handelszentrum zwischen Italien und dem Norden – aufgrund von Streitigkeiten mit den Venezianern wurde der Bozener Markt hierin verlegt. Nach einem wirtschaftlichen Einbruch schaffte es Matthias Klotz um 1680, den in Italien gelernten Geigenbau in Mittenwald zu etablieren und schaffte damit erneuten Wohlstand für die Marktgemeinde. Heute existieren neben mehreren Geigenbauern in Mittenwald auch eine Geigenbauschule und ein Geigenbaumuseum. Sinnbildlich steht das erzgegossene Denkmal von Markus Klotz auf einem Sockel aus Trientiner Marmor.
Immer mehr Leute in traditionellen Trachten huschen durch die Straßenzüge, Wartende nehmen Aufstellung am Straßenrand, Sonntagskleidermädchen tanzen, Neugierige lugen aus ihren Fenstern hervor. Es scheint sich was zusammenzubrauen – Spannung keimt auf. Dann öffnen sich die Portale der Kirche. Fahnenträger, Trachtengruppen, Fanfarengruppen mit Gamshut, Messdiener mit Kerzenlaternen defilieren am Volk vorbei. Der Höhepunkt soll dann die Madonna sein, kärglich mit wenigen verschrumpelten Maiskolben am Tragesteg untergehängt – das soll also der große Erntedank sein. Eine ganze Kolonne von alt gemachten Landfrauen jammern immer gleiche unterwürfigen Sündergebetsphrasen – keine Freude, kein Früchte des Feldes – stattdessen der Klerikale mit dem Buch der Heiligkeit. Das wars schon – schade, das man Erntedank nicht zeitgemäßer und fröhlicher feiern kann oder will.
Ich treffe noch mal den einheimischen MTBer des Vorabends kurz, dann rüste ich mit Tiroler Speck in Scharnitz auf und los gehts ins Karwendeltal – eine definitive Traumroute. Der Radlerandrang ist zunächst enorm. Jedoch führt hier auch flach der Isarradweg weiter in die Berge rein (Hinterautal) – voll familientauglich und daher sehr beliebt. Schon kurz nach dem Parkplatz trennen sich aber die Wege. Es folgt eine kurzes Steilstück in lichtem Kiefernwald und Blick auf die Isar. Nach kurzer, weicher Abfahrt aber bleibt auf der Höhe des Karwendelbaches eine ziemlich harmlose Piste mit nur geringen Steigungen, und sogar ein kleines Mädchen spurtet dem einen oder anderen aufgerüsteten Mountainbiker davon. Ich finde zahlreiche Gesprächspartner, Österreicherinnen, Allgäuer, und Oberbayern. Die Rhythmen sind verschiedenen, das liegt vor allem an der unterschiedlichen Fotografierlust. Ich muss natürlich alles Festhalten, jeder Blick hier löst Begeisterung aus.
Nach dem flachen Teil geht es dann aber doch bald kräftig aufwärts, auch schottriger, rutschiger. Einige Stellen sind heftig, nicht mehr jeder bleibt auf dem Sattel sitzen. An der über eine kurze Stichstrecke auf einem Felsvorsprung gelegenen Karwendelhütte steht ein ganzer Moutainbikepark – man mag glauben, die Welt ist ein Mountainbike. Erst die Fahrt später auf der Straße zum Großen Ahornboden rückt die Verhältnisse wieder zurecht: Für jedes Mountainbike gibt es mindestens 10 Autos – nicht immer an selber Stelle, aber irgendwo hinterm Berg bestimmt.
Ein paar Meter zur Passhöhe muss ich schieben, der Belag ist zu locker. Oben natürlich noch mehr Panorama – nach zwei Seiten. Die Abfahrt recht rumpelig, die MTBer kennen aber keine Gnade zu Material und Gesäß – runterrasen, bis die Staubwolken Schatten werfen. Ich brauche viel länger als der Durchschnitt – bin am Fortbestand meines Lebens interessiert und sehe auch auf der Abfahrt noch: die Natur ist großartig und verdient Aufmerksamkeit. In einem Talkessel befindet sich eine große Wiesenfläche – der Kleine Ahornboden. Ahornboden – das steht für seltene Bäume des Bergahorns. Am Großen Ahornboden stehen etwa 2000 Individuen dieser Spezies – einige buckeln ein Alter von schlappen 600 Jahren. Am Kleinen Anhornboden sind es nur wenige, doch die Kulisse nicht minder eindrucksvoll. Wasserstelle, Picknick- und Sonnenplatz für Wanderlustige und Radler.
Für die Weiterfahrt gibt es zwei Möglichkeiten – beide Wege führen wenig später aber zusammen. Das Johannestal ist schmäler gefasst, der Bergfluss rauschender. Der untere Teil ist gesperrt, einige MTBer fahren trotzdem durch, aber der Fels ist bedenklich abgebrochen – für alle, die Nervenkitzel suchen. Die reguläre Route führt noch mal kurz bergauf, macht ein Bogen weg vom Johannestal und mündet oberhalb des Johannestales auf die Strecke zum Großen Ahornboden (man kann offroad noch ein Stück auf der der Straße gegenüberliegenden Seite fahren, danach aber nur noch Straße). Die Szenerie der Ahornbäume ist dann schon eine besondere. Das endgültige Talende aber erreicht man nicht per Rad – hier ist jenseits des großen Gasthofes mit Blick in den großen Felsenkessel Ende für Räder – nur der Fuß darf hier weiter.
Statt zu Wandern kann man auch Schauen und Staunen und wieder Zurückfahren. Hätte ich das Drama am Ende des Tages geahnt, so hätte ich hier Haxe und Bier zapfen können, außer Hotelzimmer gibt es auch ein einfaches Touristenlager. Doch ich hatte ja schlau im Internet rausgefunden, in Vorderriß steht ein ordentlicher bayerischer Gasthof. Ich könnte es jetzt noch aus Tirol raus schaffen – nicht dass ich in Tirol schlechter schlafen würde – aber ich bin doch arg langsam unterwegs, ein paar Restkilometer dürfen sein. Im Rißbach könnte man tagsüber vielerorts wohl gut baden, doch jetzt ist Abend und bald kühl. Der Gasthof in Vorderriß liegt schön an der Isar, hier kann ein hungriger Radler gut absteigen, oder?
Denkste!? – Nein, es ist DAS Ausflugswochenende des Jahres – ein ganzer Sommer soll nachgeholt werden – was ein Nationalfeiertag alles leisten soll.
Und das heißt konkret: Die Küche ist leer gegessen, bis zu den Küchenkacheln alles aufgeleckt – keine Speckschwarte für die Mäuse in der Kellerbar mehr, kein Salatblatt für das Meerschweinchen in der Lenkertasche mehr, keine Henne, die noch schnell ein Ei in die Sattelmulde legt.
Es bleibt flüssiges Brot aus Blau-Weiß und nach mehreren Bittgängen und Kniefällen zwei Scheiben schlechten Brotes. Als ich dazu mein Vorräte aus Käse, ein paar Kirschtomaten und Tiroler Speck auspacke, werde ich auch noch von der Wirtin angemahnt, das wegzupacken – keine Eigenverkostung! Jetzt aber, Frau Oberbayern, leere Tröge hinstellen und dann noch die Butterfinger abklopfen – was ist das denn?! – Der Wirt zeigt menschliche Restwärme und lässt mich gewähren, aber ich solle die Tomaten nicht auf den Tisch sondern die Bank legen, damit man es nicht sieht. Es mag ja sein, der Tag war stressig – aber so gehts nicht und das auch noch kurz vor Biergartenschluss generell.
Drinnen wurde trotzdem weiter gesoffen, das geht wohl immer, da regt sich keiner auf. Die Gelbe Zitrone für Gastunfreundlichkeit vergebe ich im Jahre 2011 an die Alte Post in Vorderriß! – Gratulation!
Mo 3.10.
Vorderriß - Wallgau - Krün - Tonihof - Mittenwald - exc. Leutschklamm - Lautensee - Ferchenseehöhe (1100m) - Ferchensee - Elmau - Schloss Kranzbach - Klais - Barmsee (Ort) - Grubsee - Barmsee - Wallgau - Einsiedl - Walchensee-Halbinselroute - Einsiedl - Niedernach - Urfeld - Kesselbergpass (858m) - Kochel - Bichl || 20:28-0:12/0:54 || Stuttgart109 km | 15,3 km/h | 7:05 h | 995 Hm
B: Leutaschklamm 2 €
E: GH Löwen (Bichl): Altbayr. Schmorbraten, Bratkart., Salat, Bier, Espresso 15,70 €
Nach den Brunftschrei-erfüllten Nacht am ausgetrockneten Flussbett des unteren Rißbaches ward dichter Nebel – sagen wir besser, ein weißer Schleier vor Augen, der seine geheimnisvolle Schönheit des Morgens dem aufmerksamen Auge auf faszinierende Weise mitteilt. Schaut dazu in die Fotogalerie. Die obere Isar auf der Mautstraße zwischen Vorderriß und Wallgau wurde so zu einer meiner Lieblingsstrecken dieser Tour – auch bei Sonne müsste es toll sein.
Das Werdenfelser Land ist hier gesegnet mit wunderbaren Seen. Schon als Abschluss der panoramareichen Hügelstrecke zwischen Krün und Mittenwald spiegelt der Schmalensee das gleißende Sonnenlicht. Auf meiner Strecke folgen nach der Lautersee, bereits im Anstieg zum Ferchensee gelegen – ersterer noch in einer weiten grünen Bergwiese gelegen mit Gebirgsfernpanorama, der letztere bereits nah am aufschießenden Fels gelegen – da der Superlative bereits schon zuviel hier geschrieben: Einfach anschauen. Es gibt eingeschränkte Bademöglichkeiten, auch später am Grubsee oder etwas wilder am Barmsee, teils von Wald, teils von viel Schilf umgeben und schon wieder flacher in der Umgebung.
Bevor ich jedoch die auch teils steile Anfahrt zum Ferchensee angehe, fahre ich noch mal nach Mittenwald zum südlichen Ortsausgang, wo man zur Leutaschklamm gelangt. Der größere Schluchtteil ist kostenlos in zwei Varianten begehbar, durch Wald und über der Leutasch mit Stegen, begleitet von kindgerechten, aber lehrreichen Infotafeln über urzeitliche Landschaftsgestaltung oder Waldökologie. Für den engsten Schluchtteil mit Wasserfall hingegen muss man kleinen Eintritt zahlen, dieser Gang ist recht kurz, dafür intensiv imposant.
Zum Ferchensee gelangt man über die aufsteigende Leutaschtalstraße, zweigt in der Kehre ab. Zunächst noch asphaltiert, geht die Strecke in eine einfache Piste über, stark frequentiert von Mountainbikern und Wanderern an Ausflugstagen wie diesem. Beim Schloss Elmau beginnt wieder Asphalt, auf dem Weg nach Klais liegen nochmals Zwischenhügel und das auch schöne Hotel und Schloss Kranzberg. Ggf. kann man noch eine Exkursion zum Lautensee einbauen. Schloss Elmau wurde 2005 massiv durch einen Brand beschädigt, 2007 wiedereröffnet und ist Luxushotel, Wellness-, Kultur- und Denkertempel in Einheit mit der Natur, insbesondere das Münchener Jazz-Label ACT präsentiert hier regelmäßig seine Künstler, was auch schon auf diversen CDs dokumentiert ist. Wer über das entsprechende Kleingeld verfügt, sollte mal dort logieren – Elmau gehört zu den führenden Hotels in der Welt. Schon allein die Lage mag solche Auszeichnung nahe legen.
Die Route von Grubsee zum Barmsee führt eher als MTB-Strecke durch Wald mit starkem Gefälle, offiziell auch nicht fürs Rad erlaubt. Es gibt aber auch eine reguläre Rad- und Wanderpiste – zumindest von Klais aus zum Barmsee. Auf der Strecke von Wallgau nach Einsiedl am Walchensee muss man mit starkem Verkehr zurecht kommen, noch später gegen Abend fahre ich an der Kesselbergstraße sogar aufwärts an der Staukolonne vorbei.
Die Runde um die Halbinsel am Walchensee eröffnet vielschichtige Seeblicke – so auch die Uferansicht des Ortes Walchensee. Das Nordufer des Walchensees wird von einer Mautstraße begrenzt, die zumindest an Ausflugstagen auch recht rege benutzt wird. Für das Nordostufer von Niedernach nach Urfeld steht weitgehend eine Walduferpiste zur Verfügung (teils nur Pfad, dort offiziell nicht für Velos freigegeben, wird aber auch von Einheimischen missachtet). Alle Uferseiten, die ich abgefahren bin, bieten zahlreiche Bademöglichkeiten (am NO-Ufer auch von mir genutzt) und das Seepanorama ist großartig. Auch wenn es etwas unfair ist, den Kochelsee nur aus wenigen Ausblicken heraus beurteilen zu wollen, so bleibt dieser landschaftlich sicherlich weit hinter dem Walchensee zurück. Der Kochelsee ist schon zur Hälfte ein See der oberbayerischen Tiefebene, während der Walchensee ein echter Bergsee ist – deswegen auch urtümlicher, naturbelassener. Das Essen im von Serben geführten Gasthof Löwen in Bichl war ein ausgezeichneter bajuwarischer Tourabschluss und – wie ich fälschlich annahm – Saisonabschluss.
Die Bildchen (bitte auf Bild klicken, Diashow wählen, voller Bildschirm sodann über F11):