Rund um Hessen im Frühjahr 2022
ReisevorbereitungenIch habe ein paar freie Tage und möchte los. Es ist noch recht frisch, deshalb scheidet Hochgebirge leider aus. Aber ganz ohne Höhenmeter ist mir zu langweilig. Meine Wahl fällt auf Hessen, weil ich dort noch viele Ecken nur aus Erzählungen kenne und auch mal wieder Himmel und Ähd, Handkäs mit Musik, Frankfurter Grüne Sauce und so weiter probieren möchte. Ein paar Eckpunkte für eine Tour sind schnell gefunden - Bad Pyrmont, Externsteine, Hermannsdenkmal, Edersee, Limburg an der Lahn, Loreley. Alles weitere wird sich unterwegs finden. Übernachten will ich in Hotels. Ich packe genug Kleidung für Temperaturen von Frost bis Sommer ein, buche einen Zug nach Eisenach, und los gehts.
21.03.2022: Eisenach - BursfeldeNach Eisenach kommt man mit der Bahn ziemlich gut -- nur eine einstündige Bahnfahrt mit einem durchgehenden ICE, das bekomme ich mit meiner üblichen Ich-will-endlich-losfahren-Ungeduld gerade noch hin. Ich esse erst mal ein zweites Frühstück unterm dicken Luther am Karlsplatz.
Die Störche sind auch schon da, und beäugen mich interessiert.
An sonsten ists hübsch hügelig, sieht aber noch nicht allzu sehr nach Frühling aus. Die Bäume an der Werra haben noch keine Blätter, nur die ersten Frühblüher stecken ihre Köpfe aus dem Rasen.
Mein erstes Ziel ist die Königsalm in der Nähe von Kassel. Hier war ich schon mal und weiß, dass es schmeckt -- bayerische Küche geht immer!
Ich fahre dann zum Weser-Radweg hinunter, dem ich bis zur Klostermühle in Bursfelde folge, wo ich mein Nachtquartier aufschlage. Bisschen unspektakulär heute, aber nicht schlecht zum Einrollen für den ersten Tag.
121 km und 1100 Höhenmeter, Maximalhöhe 440 m, sonnig22.03.2022: Bursfelde - Bad MeinbergErst mal folge ich ein Stückchen dem Weser-Radweg. Das wird mir aber schnell langweilig, ich möchte lieber links der Weser den Reinhardswald hinauf.
Der Naturpark Reinhardswald ist das größte geschlossene Waldgebiet Hessens. Allerdings sind Abkürzungen im Reinhardswald nicht immer mit einem Zeitvorteil verbunden ;-)
Ab Bad Karlshafen gehts dann über noch ein Stückchen Weser-Radweg entlang. In Höxter nur Currywurst zu Mittag - alles geschlossen, Innenstadt eine einzige Baustelle. Hinter Höxter sehe ich ein Berglein mit einem Fernsehturm und beschließe einen Umweg. Der Berg hat den schönen Namen "Köterberg", eine kleine Selbstbedienungseinkehr namens "Köterberghaus" mit lecker Apfelkuchen, und eine tolle Aussicht auf 500m Höhe.
Jemand scheint hier Maulesel mit Putzlumpen zu kreuzen ;-)
Bad Pyrmont, mein nächstes Ziel, ist ein ziemlich großes Kurbad mit Schloss, Trinkhalle, vielen Gründerzeit-Villen, Alleen und Parks. Goethe soll hier auch mal gewohnt haben. Gefällt mir sehr gut hier. Ein Eis in der Innenstadt muss sein.
Weil ich gern möglichst früh am Morgen an den Externsteinen und dem Hermannsdenkmal eintreffen will, fahre ich heute noch 30 km weiter, obwohl sich Bad Pyrmont als Übernachtungsort angeboten hätte.
Mein Tagesziel ist Bad Meinberg, ebenfalls ein Kurbad mit Schloss, Kurpark, Trinkbrunnen und Tralala. Und einem guten Griechen - ich liebe Joghurt mit Honig und Walnüssen! :-)
119 km und 1350 Höhenmeter, Maximalhöhe 513 m, 0-20 Grad, sonnig, tolles Radelwetter23.03.2022: Bad Meinberg - Bad ArolsenMein Plan ist aufgegangen: Um 8 Uhr bin ich an den Externsteinen fast allein. Wirklich beeindruckend! Zwar ist die Aussichtsplattform oben noch geschlossen, aber das ist mir egal. Kaum zu glauben, dass durch die große Lücke zwischen den Steinen mal eine Straßenbahn fuhr.
Mein nächstes Ziel ist das Hermannsdenkmal. Das ist nicht allzu weit weg. Ich nehme den Weg über die Falkenburg, um noch ein paar Höhenmeter zu sammeln. Hermann kann man von der Falkenburg aus schon ganz klein sehen.
Um 9 Uhr bin ich da. Auch hier beinahe ganz allein. Nachdem ich das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig und das Kyffhäuserdenkmal gesehen habe, hatte ich eigentlich erwartet, dass das Hermannsdenkmal als drittes Monumentaldenkmal Deutschlands wesentlich größer wäre. Aber der kleine Hermann ist gerade mal 26 m hoch, mit Sockel 53 m, wie er da drohend sein Schwertchen gen Frankreich streckt ;-)
Bis jetzt bin ich sehr zufrieden mit dem Tag. Wetter gut, Wege gut, kein Verkehr, keine Touristen, schöne Fotos gemacht. Mein nächstes Ziel liegt nun Richtung Süden, hinter dem Eggegebirge.
Da isses: Der Altenbekener Viadukt. Laut Wikipedia die längste Kalksteinbrücke Europas. Ich war zwar schon mal hier, aber das ist 20 Jahre her. Ist immernoch schön :-)
Ich fahre über Bad Driburg weiter Richtung Süden. Morgen möchte ich am Edersee sein. Ich habe einen schönen Radweg gefunden, der sich über Feldwege, kleine Straßen und Feldwege in die richtige Richtung schlängelt.
Heute übernachte ich kurz hinter dem Twistestausee in Bad Arolsen.
Das mein Hotel von Holländern geführt wird, ist bei der Farbwahl nicht zu übersehen :-D
107 km und 1830 Höhenmeter, Maximalhöhe 383 m, 0-20 Grad, sonnig, leichter Gegenwind24.03.2022: Bad Arolsen - Bad BerleburgNach dem Frühstück mache ich erst mal einen Spaziergang durch Bad Arolsen. Mal wieder ein Kurbad: kleine Stadt, Heilquelle, Kurpark, Schloss, Kurkliniken, Gründerzeit-Villen. Hübsch.
Der Weg in Richtung Edersee führt wieder über eine etwas verlassene Gegend mit vielen Hügelchen.
Der Edersee selbst ist ein Stausee, schön gelegen im Naturpark Kellerwald - der zweitgrößte Stausee Deutschlands und im Sommer ein beliebtes Erholungsgebiet. Ich bedaure ein bisschen, dass die Bäume noch nicht grün sind. Das sieht hier alles noch sehr verschlafen aus. Außerdem bin ich hier immer noch fast alleine, und die Einkehren sind alle zu.
Ich finde auch tatsächlich nichts besseres zum Mittagessen als eine Imbißbude. Der Touristen-Ansturm beginnt vermutlich erst nach Ostern.
Ich fahre halb um den Edersee herum, und über ein paar Hügelchen im Kellerwald. Oben bietet ein kleines Kirchlein mit Buntglasfenstern ein tolles Farbenspiel im Sonnenschein.
Nun habe ich das dringende Bedürfnis, meine kulinarischen Defizite in Frankenberg an der Eder wieder nachzuholen. Der selbstgebackene Kuchen im Altstadt-Cafe ist der Hammer :-)
Ich folge dem Eder-Radweg bis Battenberg, fahre dann das sehr schöne Elbrighäuser Tal hinauf, und bin ein paar Landstraßen später in Bad Berleburg, meiner Unterkunft für heute. Wieder ein kleines Kurbad mit Schloss, Kurpark, Heilquelle. Die mit grauschwarzem Schiefer verkleideten Häuser der steilen Altstadt sehen hier beinahe nach Thüringen aus. Ich beschließe, dass ich auf dieser Tour jetzt wirklich genug Kurbäder gesehen habe ;-)
118 km und 1280 Höhenmeter, Maximalhöhe 662 m, 0-20 Grad, sonnig, leichter Gegenwind25.03.2022: Bad Berleburg - Limburg an der LahnNach einem Foto vom Bad Berleburger Schloss mache ich mich auf den Weg in Richtung Loreley, meinem nächsten Ziel, das ich morgen erreichen möchte.
Die Gegend ist immernoch ziemlich einsam und verlassen. Schöne leere Straßen, viele Hügelchen, hübsch.
Essen gibts beim Griechen in Bad Laasphe. Warum gibts hier praktisch keine einheimische Küche?
Danach ändert sich landschaftliche Eindruck komplett: Trockenheit und Schädlinge haben überall für kahle Bergkuppen, tote Bäume und verwüstete Freiflächen gesorgt, soweit man schauen kann. Ich bin lange in dieser toten Gegend unterwegs -- hier will ich nicht wieder her.
Ungefähr ab dem Tal der Dill wirds wieder schön. Die Wälder hier sind auch alles Mischwälder, die besser mit Trockenheit zurechtkommen als die Fichten-Monokulturen im südlichen Rothaargebirge.
Irgendwann finde ich einen hübschen kleinen Radweg, der mich ins Lahn-Tal hinunterführt.
Meine Übernachtung heute ist in Limburg an der Lahn. Das Städtchen ist eine echte Überraschung für mich: Eine wunderschöne Altstadt mit vielen toll restaurierten Fachwerkhäuschen unterhalb des Doms und einer lebendigen Nachtschwärmer-Szene. Ich freue mich, dass ich hier mal nicht Abends wie ein Gespenst durch leere Gassen streifen muss ;-)
Ich freue mich noch viel mehr, als ich ein tolles Restaurant mit (*trommelwirbel*) Frankfurter Grüner Sauce finde! Das daneben ist ein Schnitzel in Eihülle.
122 km und 1700 Höhenmeter, Maximalhöhe 606 m, 2-18 Grad, diesig26.03.2022: Limburg an der Lahn - RüdesheimBevor ich heute aufbreche, mache ich noch einen Rundgang um den Dom und die Altstadt, ein paar Fotos bei Tageslicht schießen. Bin immernoch sehr angetan von Limburg, vor allem nach den vielen ausgestorbenen Nestern der letzten vier Tage als Kontrast.
Ich folge erst mal dem Lahn- und Aar-Radweg. Das hier ist Burg Ardeck.
Heute möchte ich als erstes zur Loreley. Wer kommt auf die Idee, seine Kleinstadt ausgerechnet "Katzenelnbogen" zu nennen? ;-)
Die sanften Höhenzüge im Taunus machen Spaß, und die Radwege sind super gepflegt. Offene Einkehren sind jedoch Mangelware. In Miehlen bekomme ich im freundlichen Gasthaus "Rose" noch ein leckeres Schnitzel, obwohl schon Küchenschluss ist.
Bei Burg Reichenberg gibts einen Wegweiser zur Loreley. Ich beschließe, dem Wegweiser mehr zu vertrauen als meinem Navi, und verfahre mich so richtig gründlich in einem Gewirr aus gesperrten Radwegen, tief eingeschnittenen Tälern und unbefahrbaren Forstwegen ;-)
Eine satte Stunde später als gedacht bin ich dann auf der Loreley. Die hab ich bisher nur von unten gesehen. Die Aussicht von oben auf den Rhein ist beeindruckend, das hat sich wirklich gelohnt!
Ich nehme die Straße an den Rhein, und setze bei St. Goarshausen auf die linke Rheinseite über. Heute Abend möchte ich gern in Rüdesheim übernachten. Die als Zollstation errichtete Burg Pfalzgrafenstein mitten im Rhen ist ein Wahrzeichen mit hohem Wiedererkennungswert.
Mir geht auf, dass ich schon den halben Tag in Rheinland-Pfalz unterwegs bin, und noch keine der einheimischen Produkte verkostet habe, für die die Gegend berühmt ist. Das muss sofort nachgeholt werden!
Bei Anbruch der Dämmerung erreiche ich Rüdesheim, und setze mit der Fähre über. Freunde haben mich überaus eindrücklich gewarnt, dass Rüdesheim eine üble Touristenfalle wäre, völlig überlaufen, voller Nepp und unansehnlich.
Ich kann das überhaupt nicht bestätigen. Heute Abend, relativ früh im Jahr und nachdem die Tagesgäste weg sind, gefällt es mir hier sehr gut. Sogar die bekannte Drosselgasse, durch die sich laut Wikipedia jährlich 3 Mio. Touristen schieben, lädt zum bummeln ein.
Im Grünen Kranz bekomme ich ein phantastisches Abendessen und eine tolle Wein-Auswahl. Bin glücklich ;-)
105 km und 1130 Höhenmeter, Maximalhöhe 431 m, 2-20 Grad, diesig27.03.2022: Rüdesheim - MainzIn meinem Hotel läuft ein dickes Kaninchen frei herum! Die Rezeption sagt, es ist vor ein paar Jahren vom Weihnachtsmarkt ausgerissen und bei ihnen eingezogen :-)
Ich setze erst mal wieder mit der Fähre nach Bingen über den Rhein über, und folge dem Nahe-Radweg. Hier blühen die Kirschbäume gerade ganz wunderschön.
In Bad Kreuznach zähle ich sechs Gradierwerke! Möglicherweise gibts mehr, oder ich habe mich verzählt. Das Nahe-Tal war hier früher ein Hotspot der Salzgewinnung.
In Bad Münster, hinter dem Rheingrafenstein, verlasse ich nach einem Mittagessen beim Italiener das Nahe-Tal. Ich möchte heute über Alzey nach Mainz.
Der Weg zieht sich ganz schön. Bin wieder in eine verlassene Gegend geraten und froh, dass ich schon zu Mittag gegessen habe. Nichts als Agarlandschaft mit leichten Hügelchen.
An Alzey, das sogar im Nibelungen-Lied erwähnt wurde, hatte ich größere Erwartungen. Heute ist hier nichts los, keine Lokale offen bis auf eine total überfüllte Eisdiele. Den Eindruck retten auch das dicke Bronzepferd am Marktplatz, die paar alten Wehrtürme und die restaurierten Gässchen nicht -- nix wie weg.
Ich fahre auf dem direkten Weg Richtung Rheintal. Verlassene Landstriche hatte ich in den letzten Tagen genug.
In Nierstein am Rhein stürme ich in das erste Weingut, das ich finden kann. Hier gefällts mir wieder richtig gut. Ein Minimum an touristischer Infrastruktur ist mir dann doch schon wichtig ;-)
Mainz ist zwar eine Großstadt, aber über den heute fast leeren Rhein-Radweg kommt man sehr gut bis in die Altstadt. Die Altstadt hat viele kleine Gassen, hübsch restaurierte Marktplätze, einen großen Dom, und ist insgesamt recht großzügig angelegt. Man kann hier weit laufen, wenn man keine genaue Vorstellung davon hat, was man sich ansehen möchte.
Mein Hotel hat eine eingebaute Weinstube mit einem Abendessen, das über jeden Zweifel erhaben ist. Die gebackenen Apfelringe sind ein sehr würdiger Abschluss für meine Tour. Morgen gehts mit dem Zug wieder heim.
109 km und 740 Höhenmeter, Maximalhöhe 287 m, 5-20 Grad, sonnigAbschlussIch bin an 7 Tagen ca. 824km und 9600 Höhenmeter gefahren, hatte überwiegend morgens sehr frisches, aber im Tagesverlauf sonniges und sehr angenehmes Wetter, ideal zum radeln.
Meine Strecke hatte ich mir strategisch ausgesucht: Ich wollte Mittelgebirge, damits nicht ganz so langweilig aber auch nicht ganz so kalt ist -- das hat funktioniert, Höhenmeter gabs genug und das Wetter war gerade richtig. Außerdem wollte ich in eine Gegend, die ich noch nicht kannte. Zuletzt hatte ich auch große Erwartungen an die hessische Küche. Das hat sich überraschenderweise gar nicht erfüllt. Bis Limburg an der Lahn war die Gegend zumindest so früh im Jahr einsam und verlassen. Es gab praktisch keine einheimische Küche. Ich hatte teilweise Mühe, etwas anderes zu finden als eine Imbissbude. Von den dann doch immer gleichen Kurbädern hatte ich auch irgendwann genug gesehen. Und in die durch Dürre und Schädlinge in ein Katastrophengebiet verwandelte Gegend im südlichen Rothaargebirge muss ich nicht wieder. Meine Highlights waren die Externsteine, das Hermannsdenkmal und Limburg an der Lahn. Besonders Limburg werde ich sehr gern wieder in eine Reiseroute einbauen. Auch die Loreley und Rüdesheim haben mir sehr gefallen. Was mich wirklich überrascht hat: die Radwege in der Gegend waren fast alle in einem ausgezeichneten Zustand, gut gepflegt und landschaftlich schön gelegen.