Eine zweieinhalbtägige Kurzreise.
Tag 1Nebst morgendlichen Erledigungen bleibt kaum Zeit zum packen. Der Track ist hastig zusammengeklickt, statt wie üblich sorgfältig geplant. Das Velo nehme ich so aus der Garage wie es gerade da steht.
Exemplarisch für die Präzisionsplanung hier die Geschichte mit dem Handschuh: Es wird warm werden. Ergo brauche ich einen(=rechts) Velohandschuh wenn ich schalten können möchte. Den finde ich am angestammten Platz(=Werkzeugtasche) nicht. Also nehme ich einen anderen. Bei der ersten Panne (weiter unten) liegt der Handschuh natürlich griffbereit in der Tasche.
Um 13 Uhr rolle ich von zu Hause(=bei Solothurn) los und fahre ereignislos die mir schon bestens bekannte Strecke in den südlichen Thurgau, wo ein leckeres Znacht und etwas Büroarbeit warten. Beim Pneupumpen fällt mir ein durch einen kleinen Schnitt schauender Faden auf; Nicht besorgniserregend, noch nicht.
Tag 2Zusammen mit der Sonne starte ich in den Tag frei nach Christoph Strassers Motto
von Anfang an Vollgas, langsamer wirst eh (frei von mir aus der Erinnerung). Auf den ersten Km bis Winterthur fahre ich etliche persönliche Temporekorde.
Der Oberkörperbekleidung entledige ich mich im kurzen Aufstieg nach Hünikon. In Volken, nur wenig später hat es Nebel. Dieser wird sich auch gar nicht so rasch lichten. Dabei haben wir doch noch die heissesten Tage des Jahres!
Mal nördlich, mal südlich vom Rhein düse ich nach Westen. Um 0900 bin ich bei km 90 und denke mir noch so
wenn du den ganzen Tag mit einem 30er Bruttoschnitt fährst, kommst du aber viel weiter als Besançon. Besançon liegt bei einem Drittel der Restdistanz für die noch verfügbaren 3 Tage. Es kündigt sich eine bald wundgeriebene Stelle an, echt jetzt schon???
In und bei Basel etwas Routenneuplanung und Umweg wegen Baustellen. Tja.
Am Ortseingang von Mulhouse biege ich auf die Eurovelo 6, die hier entlang vom Rhein-Rhone-Kanal und später entlang vom Doubs führt. Gut 200 km werde ich auf dieser mehrheitlich motorfahrzeugfreien Velopiste unterwegs sein.
Beim Mittagshalt in Illfurth erhalte ich die Nachricht, dass das angefragte Treffen in Besançon nicht zustandekommen wird. Gute Besserung auf diesem Weg! Durch diese Nachricht werde ich überhaupt auf die Idee gebracht, etwas von dieser Tour zu erzählen und fotografisch festzuhalten.
Das erste Bild der Tour ist leider kein erfreuliches! Die Muschel hat einen 2cm-Schnitt durch die Karkasse geschafft. Ich weiss jetzt, wie doof sich sich ein platter Hinterradpneu bei 30 km/h anfühlt. Ersatzpneu montieren. Ohne Schatten und Fahrtwind ist es heiss.
Bald ist die Wasserscheide erreicht - flacher als im Seeztal
.
Es gibt eine kleine Gegensteigung in Étouvans, wo ich fast zuoberst eine Wespe ins Velo fliegen sehe, aber nicht, wie sie wieder rauskommt. Trotz aussteigen und suchen sehe ich sie nicht. Ansonsten ist die Strecke flach, verstoppschildet, mit gut rollendem Belag und hat meistens schifffahrttaugliche Kurvenradien.
Das viele Beschleunigen (ich überhole nicht mit 45km/h auf dem 2.5m breiten Weg) kostet Kraft und vor allem Zeit - nix Bruttoschnitt 30...
Entlang vom Doubs
Wieder die Zitadelle von Besançon, diesmal ohne Begleitung.
Im Wäschpi sticht mich ein Wäschpi in die linke Pobacke. Ist das jetzt wirklich 40km mitgefahren oder war es ein anderes?
Wie im letzten Blogpost versprochen, halte ich diesmal an für ein Foto vom Schiffstunnel bei Thoraise.
Auf dem Campingplatz von Osselle setze ich mich fürs Znacht in die Camping- und Strandbar.
Die Temperaturen werden langsam angenehm. So ist der Entscheid schnell gefällt, erstmal bis zum Eindunkeln weiterzufahren.
Das war eben doch nicht nur ein einzelner Karkassenfaden, sondern der Pneu wirklich heruntergefahren, kein Platten. Jetzt sind alle Ersatzpneus montiert, 550km bis nach Hause. Eine wenigstens minimale Velokontrolle vor Abfahrt wäre schon nicht schlecht gewesen.
Bei Tavaux verlasse ich die Veloroute und mir kommt der Ort gleich bekannt vor. Genau! Hier kam ich beim Rekoride (letzter Blogeintrag) durch und danach gings auf einer stillgelegten Bahntrasse nach Süden. Nach Süden will ich jetzt auch und so folge ich nicht dem GPS-Track sondern der Erinnerung. Ich biege stets richtig ab - soo müde kann ich also weder damals noch jetzt (gewesen) sein.
Abendstimmung. Blick nach rechts.
Abendstimmung. Blick nach links.
Die Strässchen und Dörfer scheinen immer kleiner zu werden. Was ich normalerweise für ein Indiz einer gute Routenwahl halte, entpuppt sich jetzt als eher doof: Hotel? Keine Chance ohne grosse Umwege. Und wegen Corona haben die meisten
geänderte Rezeptionszeiten.
Ich finde mich damit ab, auf Plan B zurückzugreifen: Matte+Schlafsack. Als meine Route die
Voie bressane, eine Voie Verte, quert, biege ich darauf ein und nach etwas suchen finde ich nichts besseres als diese Bank 1m vom Asphalt entfernt mit fast 100%iger Sicherheit, dass ich hier in den nächsten Stunden ungestört bleiben werde.
Notschlafstelle hinter dem Wäschpi. Keiner der Ersatzpneus reflektieren, dafür kommen die in schwarzer Reflexfolie gestalteten Kratzer-Überkleber besser zur Geltung
.
Das waren heute 445 km - 50% mehr als ich mir vorgenommen habe.
Wecker 0500.
Mal heiss, mal windig, mal bewölkt, mal ganze Milchstrassenpracht, mal auf der linken Seite liegend, mal auf dem Rücken, mal auf dem Bauch die Hände auf den Boden haltend, mal raschelt etwas im Gehölz, mal ein Schluck aus dem Trinkschlauch gleich neben dem Kopf, mal...
Tag 3Irgendwann muss ich doch noch eingedöst sein, denn den Wecker braucht es.
In der Nacht habe ich den ganzen Trinksack geleert und jetzt bin ich durstig. Gar nicht so einfach, um die Tageszeit Wasser zu finden, zumal die Brunnen alle als Blumentröge genutzt zu werden scheinen.
In Sagy finde ich keins, denn das öffentliche WC ist verrammelt und das Wasser abgestellt. Wo ich sonst noch gesucht habe, sei an anderer Stelle publiziert.
In Frontenaud hingegen: Sauberes, geräumiges WC mit Trinkwasser und Lavabo. Vermeintlich einfache Dinge wie Zähne putzen und ein grosser Schluck sauberes Wasser können so glücklich machen.
In einen schönen Sommermorgen fahren.
Die Streckenführung ist mehrheitlich sehr schön gelegen, ab und zu kann ich trotz superschnellem Velo und flachem kreuzungsfreiem Asphaltband keine 30km/h fahren, weil der
Asphalt-Belag so sehr bremst und holpert. Flach ist es nicht immer - heute kommen doch ein paar wenige Hm zusammen.
Ohne viel zu überlegen, anzuhalten oder versuchen schnell zu fahren, rolle ich durch den Morgen nach Süden. So geschieht es, dass ich etwas erstaunt bin, als neben mir auf der Voie Verte ein grosser Fluss sichtbar wird. Das ist doch nicht etwa schon die Rhone? Doch!
Blick von der Voie Verte über die Rhone hinüber zum Château Neuf, Vertrieu.
Eine Brücke ist wegen Fahrbahnerneuerung gesperrt. Ja, auch für Unmotorisierte. Damit wird der südlichste Punkt der Tour noch etwas südlicher als geplant.
Entlang der Rhone geht es jetzt wieder flach und auf gutem Asphalt flott voran.
Schwäne auf dem Fluss
Das Tagesmenu im für mich perfekt gelegenen Restaurant ist lecker. Bedingt nahrhaft.
Ich wechsle die Hose. Nicht der Verdauung sondern der wunden Stelle wegen. Hose2 ist für eine andere neuralgische Stelle berüchtigt - immerhin eine andere...
Ich wäre zum Essen besser rein gegangen, denn mir ist heiss. Darum fahre ich die ersten Meter nach dem Mahl nicht auf dem Track, sondern nehme die ...
... natürlich beschattete Veloroute.
Die Hauptsteigung der Reise, läppische 300 Hm, gehe ich ganz langsam an. Bei leichtem Rückenwind zeigt der Tacho im Wäschpi 35°C - kaum kommt in der nächsten Abfahrt wieder etwas Frischluft dazu sind es nur noch 32
.
Dass die Rhone sich hier durch ein so tiefes Tal windet, war mir zu wenig bewusst. Eigentlich logisch, sonst hätte ich die Hm sicher nicht gemacht.
Wenn ich schon mal hier bin,
muss ich da einfach einen Abstecher hin machen: Westlichster Punkt der Schweiz.
Von Genève sehe ich abgesehen von ein paar Wegweisern nichts, denn der Track lotst mich nördlich an der Stadt vorbei, was mir ganz recht ist.
In Mies VD stosse ich auf die Seestrasse, auf welcher exakt an der Stelle eine Baustelle beginnt - nicht auf dem Veloweg. Ist halt sowohl Fluch als Segen, diese Velowege.
Lac Léman
In der Abenstimmung über die kleinen Waadtländersträsschen zu fahren gefällt mir.
Plaine de l'Orbe
Die 8 km zwischen Yverdon und Yvonand lege ich wie gewohnt in 10 Minuten zurück, bin also noch fit. Ich werde wenn möglich noch heimfahren, bei allfälliger Müdigkeit gibt es höchstens einen Power Nap. Bis nach Hause wird das noch weiter als gestern. Phuu!
Um den Vorbereitung-für-die-Nachtfahrt-Stop so effizient(=nichts vergessen) wie möglich zu machen, merke ich mir folgende Stichworte mit einem englischen Wort, das ich auf der Reise lieber in Ein- statt wie hier in Mehrzahl gehabt hätte:
Whatsapp,
Akku,
Stirnlampe,
Pneus,
Spiegel. Am Aussichtspunkt
Vue sur La Grande Cariçaie ist ein guter Zeitpunkt dafür.
Die Sonne geht hinter dem Jura unter.
In Büren a.A. fahre ich nicht wie sonst(=Höhenmeter) sondern übers Kopfsteinpflaster, was den noch draussen sitzenden Restaurantgästen etwas akkustische Abwechslung beschert.
Zu Hause warte frisch gemachtes Apfelmus auf mich: Ich fahre vom Aussichtspunkt-Stop mit Ausnahme des Wasser-Auffüll-Stops in Sugiez und der roten Ampel in Solothurn durch bis nach Hause.
Tag 4Statt wie ursprünglich geplant 300 km zu fahren (wäre ja komplett verrückt!), ruhe ich mich aus.