Ciao a tutti
Als hier in der Schweiz die Corona-bedingten Restriktionen langsam aufgehoben wurden, fasste ich eine Pilgerfahrt in den buddhistischen Tempel von Rabten Choeling ins Auge. Zuerst sah ich vor, von zu Hause aus zu starten und über den Pas de Cheville, Col de la Croix, Col de la Pierre du Moëllé und den Col de Chaude den Léman (aka Genfersee) anzupeilen. Aber dann wurde das Kinderhüteverbot für Grosseltern aufgehoben, und entsprechend wurde der Plan umgeändert: ich lieferte die Kinder im Berner Oberland bei den Grosseltern ab (ein herzliches Merci an meine Eltern an dieser Stelle – vous êtes super-chouettes !) und orientierte mich danach am westlichen Teil der Goldenpass-Zugverbindung Luzern - Montreux. Dank zahlreichen Schlenkern und Schlaufen entstand so ein kleines
Rough-Stuff-Abenteuer. Los geht’s!
Tag 1: Mülenen – Oey-Diemtigen – Seebergsee – Gubi – Zweisimmen – Sparemoos (Karte) Ich fahre im schönen Kandertal los und erreiche über das Diemtigtal…
…den Meniggrund:
Beim Seebergsee treffe ich 2 Enten und min. 200 Wanderer:
Im Stiereberg gönne ich mir einen himmlischen Aprikosenkuchen. Der Himmel zeigt sich bedeckt:
Der erste Pass der Tour ist das Gubi (die Oberländer sind ja etwas wortfaul und lassen das «Pass» bei den Pässen gerne mal weg
):
Die Spillgerte liegt leicht in den Wolken:
Die Abfahrt vom Gubi ist ganz am Anfang recht technisch, danach wird es bald besser, und nach 1-2 km kommt man auf Alpstrassen. Wer dünn bereift ist kann über den Parallelpass mit Namen Gestele (
Link auf Quaeldich), allerdings kommt man dort nicht am Seebergsee vorbei.
In Zweisimmen tröpfelt es, so dass dort nicht geknipst wird. Die nächsten Bilder entstehen im Sparemoos, einer wunderschönen Moorlandschaft oberhalb von Zweisimmen:
Ich purzle über schmale Wanderwege…
…und erreiche so meinen Schlafplatz. Es ist das erste Mal, dass ich auf einer Velotour zelte, und dann gleich noch wild – da bin ich ganz froh um den Zaun rund um den Grillplatz
Beim Abendspaziergang scheuche ich einen Hasen auf (auf dem Bild schon weg)…
…und geniesse die Aussicht aufs Simmental. Zum Nachtessen gibt’s köstliches Gefriergetrocknetes, mmmh
Zwischendurch bellt der Hund vom (geschlossenen) Restaurant in der Nähe, aber ich mag nicht mehr dorthin gehen und meine Anwesenheit ankünden. Irgendwann findet er und ich dann unsere Ruhe.
Mein Schlaf ist im Zelt nicht besser als zu Hause, also gibt’s eine Nachtfotosession:
Tag 2: Sparemoos – Hundsrügg – Bire – Mittelberg – Col de la Forcla – Château-d’Oex – Col de Sonlomont – Lac de Hongrin – Col de Jaman (Karte) Die Stockhornkette erwacht:
Der Giferspitz wird auch sanft geweckt – und der Feldweg lockt in seiner ganzen Schönheit:
Ein herrliches Strässchen…
…und eine herrliche Blumenpracht:
Ich verfahre mich ein bisschen und muss ein kurzes Stück hochschieben:
Danach ist wieder so ein schönes Strässchen erreicht. Ich will den Birkhahn auf einer der Tannen nicht zu lange stören, daher lege ich das Velo nur schnell hin. Kurze Zeit später flüchten zwei Hirschkühe – eindrücklich!
Bei Nüjeberg lasse ich das Velo bei der Alphütte und besteige den Hundsrügg. Die Aussicht dort oben ist die Wanderung wert: man erblickt die Gruppe des Vanil Noir…
…und die Gastlosen (ein sprechender Name!):
Blick in Richtung des weiteren Tourverlaufs:
Es folgen drei Perlen der Alpen
Gentiana acaulis L.:
Salsa cutthroatis Biotomus:
Rhododendron ferrugineum L.:
Der Weg von Erbetlaub nach Bire ist teils ein bisschen murksig; von Bire (eigentlich auch ein Pass, aber eben: die wortfaulen Oberländer…) zum Mittelberg ist dann alles recht problemlos fahrbar:
Blick zurück auf die Höger rund um Bire:
Die Gummfluh und Konsorten rücken recht prominent ins Blickfeld:
Abfahrt auf den Mittelberg. Kleiner Tipp für diejenigen, für welche rough stuff nicht so ihr Ding ist: der Mittelberg ist ein wunderschöner Strassenpass mit einer chilligen Abfahrt nach Saanen (
Link auf Quaeldich).
Ich zweige ein paar Kilometer vor Saanen nach rechts ab: der Col de la Forcla (im Vergleich zu seinem Walliser Namensvetter ohne «Z») ruft! Der sieht zwar auf der Karte und auf dem Foto himmlisch aus…
…ist aber in Wahrheit ein übler Kerl. Gerüchteweise wurde er in einem der Jahresberichte der VSSS («Vereinigung der sadistischen Strassenbauer der Schweiz») lobend erwähnt. Durchschnittlich 15% Steigung, und das bei längeren flachen Abschnitten
Hier kann ich ausnahmsweise ein Stück fahren:
Noch ein Gerücht: bei der lokalen Schotterproduktion verarbeiten sie auch die Knochen der Velofahrer, welche am Pass gescheitert sind
Der Pass scheint auf bei Jeep-Fahrern eine gewisse Reputation zu haben:
Oben wartet eine schöne Aussicht…
…und vor allem eine tolle Abfahrt an Blumen und Bergen vorbei:
In Château-d’Oex esse ich im Buffet de la Gare und nehme dann den Col de Sonlomon in Angriff. Dieser ist ein ganz ruhiger Pass ohne Verkehr. Zuerst Teerstrasse, dann Forstweg…
…und dann noch Wanderweg: das ist der Grund für die Ruhe
Ich persönlich ordne den Col de Sonlomon unter der Kategorie huerehert-huereschön ein
Noch ein letzter Blick auf das Pays-d’Enhaut und das Gummfluh-Massiv. Rechts im Bild geht es zum Col des Mosses:
Oben gibt’s einen schönen Ausblick auf den Lac de Hongrin:
Hier ist auch ein Waffenplatz der Armee, daher sind die Strassen in der Ecke glaub zeitweise gesperrt:
Trotz Armee: ein Besuch dort oben lohnt sich, auch wenn es an diesem Pfingstwochenende sehr viele Ausflügler hat:
Bei der Alp La Vuichoude-d’en Bas dann die grosse Frage: soll ich den Col de Chaude oder den Col de Jaman anpeilen? Beim Col de Chaude wären es Minimum 300 Hm nicht fahrbarer Wanderweg, während es beim Col de Jaman gemäss Karte eine Alpstrasse hätte. Der Sennbub ist so nett und öffnet mir den Wasserhahn beim Brunnen und lindert so meinen Durst; er findet den Col de Chaude nicht unmachbar mit dem Velo, aber halt auch nicht so ganz toll. Daher: Col de Jaman!
Durch die eindrückliche (aber leider in diesem Bericht fotolose) Schlucht des Hongrin erreiche ich die Buvette bei Les Seitours. Der Wirt schliesst gerade, aber zum Glück kann ich noch gerade ein Stück Käse für das Frühstück erstehen. Ein bisschen weiter oben überquere ich dann ein weiteres Mal (nach Zweisimmen und Château-d’Oex) die für diesen Bericht namensgebende Goldenpass-Linie:
Gerüchteweise wurde der Col de Jaman von der GNSS («Gesellschaft der netten Schweizer Strassenbauer») mit dem «Geflügelten Engel» in Gold ausgezeichnet: Meter um Meter…
…schlängelt sich das Strässchen hoch zum Pass. Nach den mephistophelischen 15% Durchschnittssteigung des Col de la Forcla und dem Wanderweggemurkse am Col de Sonlomont erscheinen mir die regelmässigen 10% des Col de Jaman wie Zuckerwatte – vor allem bei dieser Aussicht:
Und oben wird die Aussicht noch besser!
Nach ein bisschen Hin und Her finde ich einen sehr schönen Zeltplatz. Der Senn ist einverstanden, dass ich mein Zelt aufstelle, und die Kuh glaub auch:
Die Aussicht…
…ist den ganzen Abend über…
…unglaublich schön:
Und in der Nacht auch, auch wenn die Farbwiedergabe hier ein bisschen psychodelisch ist
Kurz nach Mittenacht kommen mal noch die Kühe ganz in der Nähe grasen. Das Glockengebimmel ist laut, und ich habe den Eindruck als würde mich «ä Chueh ir Schnurre ha»
Tag 3: Col de Jaman – Le Molard – Col de Soladier – Les Mossettes – Pont de Fenil – Mont Pèlerin – Montreux – Martigny – Sion – Savièse (Karte) Am nächsten Morgen werden die Gipfel des französischen Chablais als erstes in Licht getaucht. Hier beginnt die Grande Traversée des Alpes – mmmh
Aber noch sind wir in der Schweiz
Ein letzter Blick auf den Léman…
…und die Freiburger Voralpen…
…bevor ich gemütlich zum Col de Soladier hochtuckerle. Dort oben ist es schön weit und still:
Ich statte noch dem Molard einen Besuch ab und erblicke die Freiburger Voralpen mit dem Dent de Lys…
… das Mittelland und den Jura…
…und die Walliser Alpen. Von der relativen Flachheit des Gipfels profitieren ein paar Wildcamper; das ist zwar in der Waadt offiziell verboten, aber zu Coronazeiten schert das glaub niemanden:
Zurück beim Col de Soladier geht der Blick nach Norden; links im Bild der schlafende Löwe: der Moléson:
In der Abfahrt verstecke ich mich listig im Geländeschatten
Danach folgt für einen Moment eher eine Abwanderung denn eine Abfahrt:
Aber dann chillt es herrlich! Es bleiben jedoch Fragen offen: soll ich wirklich zur Kamera schauen? Oder doch besser in den Wald hinein damit man Gesicht nicht sieht? Ou, hat’s bereits ausgelöst? Oderdochnochnicht? Aaaah!
Bei Les Mossettes wird’s fast ein bisschen jurassisch:
In der Ecke blühen im Mai unzählige Narzissen – extrem schön! Die meisten sind aber schon verblüht, hier noch ein tapferer Spätzünder. Wer die blühenden Wiesen sehen will kann
hier gucken. Und Infos zur Blütezeit usw. gibt es
hier.
Vom Ruhig-Ländlichen…
…geht es über ins Hektisch-Urbane…
…bis ich auf dem Mont Pèlerin wieder die Ruhe finde:
Rabten Choeling ist sehr schön gelegen und jederzeit einen Besuch wert:
Normalerweise kann man dort oben nach Voranmeldung essen und übernachten, aber wegen des Corona-Virus ist momentan nur den Tempel offen:
Am Nachmittag bläst mich schliesslich der Wind dermassen schnell ins Wallis, dass fürs Fotografieren keine Zeit bleibt.
Fazit: Eine schöne Tour mit einem schönen Ziel! Aber anstrengend war’s
Das eine oder andere hätte ich nicht mit einem normalen Tourenrad machen wollen, aber es gibt in dieser Ecke der Schweiz zum Glück viele Alternativen.
Das Cutthroat hat sich einmal mehr bewährt, auch wenn ich mir zeitweise eine Eagle-Übersetzung statt die verbaute 11-46-Kassette gewünscht hätte. Mit Zelt etc. hängt’s schon noch gerade ein bisschen mehr an… Dieses Mal war ich erstmals mit einem gefederten Vorbau unterwegs (Redshift Shockstop) – ich bin noch nicht sicher ob mich das System wirklich überzeugt: zum Teil war das Fahrgefühl doch schon ein bisschen schwammig. Aber man muss ja nicht überoptimieren: Hauptsache man ist ein bisschen draussen und kann die Schönheit der Welt entdecken!