Hallo,
ich stelle heute eine Mini-Radreise vor, die wir vor ein paar Wochen – Ende September - gemacht haben, eine Dreitagestour am Südrand der Alpen.
Nach längerer Zeit der Radreiseabstinenz wollten „unsere“ Mädchen es wieder einmal wissen. Unsere Tochter Jana und ihre Freundin Nadine waren der Meinung, unsere gemeinsame
Alpe-Adria-Tour vor drei Jahren wäre absolut cool gewesen. In einem Anfall von sommerlichem Leichtsinn fragten sie dann noch, ob wir nicht wieder einmal eine schöne Tour in Italien fahren könnten.
Unsere Antwort war kurz und einfach: Können wir!
Als Strecke haben wir die Dolomitentour ausgewählt. Start in Sillian/Osttirol, erste Übernachtung in Cortina d’Ampezzo, zweite Übernachtung in Belluno, Zielort am dritten Tag Sacile (in der Nähe von Pordenone) und von dort mit der Bahn über Udine und Villach wieder nach Hause.
Diese Tour durch die Dolomiten mit der Schlüsselstrecke auf der via ciclabile delle dolomiti sind meine Frau und ich schon mehrere Male gefahren; zuletzt vor einem Jahr. Wir kennen die Strecke daher gut und sie erschien uns als ideal geeignet auch für unsere beiden Teenager samt Mami.
Als Zeitpunkt bot sich das Wochenende Ende September mit dem schulfreien Salzburger Landesfeiertag am Montag an. Der Wetterbericht für nördlich der Alpen war dann alles andere als gut (Sturmtief Fabienne schickte kalte Grüße), aber für den Süden waren die Aussichten gut.
Wir starten also am Bahnhof in Sillian und radeln die Drau aufwärts und passieren nach wenigen Kilometern die Staatsgrenze.
Die ersten Kilometer radeln wir flott dahin und alle freuen sich bereits auf den ersten Kaffeestop in Innichen.
Pflicht in Innichen / San Cándido sind Espresso und heiße Schokolade.
Wenige Kilometer später erreichen wir Toblach, wo wir nach Süden abbiegen und auf der alten Bahntrasse langsam Höhenmeter sammeln.
Die Sonne lässt sich leider kaum blicken, die Wolken hängen tief und leider sehen wir von der gut bekannten Dolomitenkulisse nicht viel.
Am Dürrensee / Lago die Landro pausieren wir kurz und erhaschen erste Blicke auf das Monte Cristallomassiv. Am Dürrensee / Lago di Landro pausieren wir kurz – übrigens wie vor einem Jahr und wie vor 26 Jahren.
Edith und ich stellen uns zu Vergleichszwecken in Position:
Hier ein Blick an derselben Stelle in den sommerlichen Radprolog von 2017 …
… und ein Blick zurück ins Jahr 1992 in unsere allererste Venedig-Radtour. Meine Frau ist übrigens in der Nähe aufgewachsen; als Kind ist sie gelegentlich zum Baden an den Dürrensee gekommen, was man sich heute nicht mehr vorstellen kann.
Danach geht es auf der alten Bahntrasse etwas ruppiger aufwärts, aber die restlichen Höhenmeter sind schnell geknackt und …
… der Passo Cimabanche / Im Gemärk rasch erreicht. Niemand ist enttäuscht und zieht ein langes Gesicht, weil heute keine Steigung mehr zu erwarten ist, sondern es nur mehr abwärts geht.
Die Eisenbahnvergangenheit des Radweges ist unübersehbar
Letztes Jahr im August sind sich Radler und Wanderer hier fast gegenseitig auf die Zehen gestiegen; heute genießen wir, ungestört rollen zu können.
Die Stimmung in der Mannschaft ist weiterhin ausgezeichnet – auch wegen der Aussicht auf Pizza und Pasta, die in Cortina auf uns warten
Gegen 16 Uhr erreichen wir Cortina d’Ampezzo. Bisher haben wir immer nur kurz für einen Kaffee gehalten, heute ist es unser erster Etappenort. Rechts das alte Bahnhofsgebäude.
In Cortina sind viele Hotels offensichtlich in der Nebensaisonpause und trotzdem sind die Lokale am Abend rammelvoll. Einige Tische sind von (meist jungen) Wanderern in voller Montur besetzt: Wanderbekleidung, Bergschuhe, aber immerhin ohne Pickel und Steigeisen.
Der nächste Tag kündigt sich sonniger an, außerdem ist es angenehm mild und wir werfen uns wieder auf die Lunga Via delle Dolomiti. Wir wissen, Cortina liegt auf 1.200 m, der Zielort Belluno auf 400 m, da MUSS es viel bergab gehen. Dass wir dann über den Tag doch mehr als 500 Höhenmeter sammeln, vermuten wir in der Früh noch nicht.
Wenige Kilometer unterhalb von Cortina haben wir schöne, leider etwas verhangene Ausblicke auf die bekannten Cinque Torri und die Italia, die Olympische Sprungschanze der Winterspiele 1956.
Über viele Kilometer können wir es laufen lassen, einige Gegenanstiege halten unsere Muskeln warm.
Bei San Vito di Cadore
mit schönem Blick zum Monte Pelmo
Es rollt richtig gut:
Der Radweg ist über weite Strecken vom feinsten und trotzdem ist es schade um die schöne aufgelassene Bahnstrecke
In Pieve di Cadore gibt es ein nettes Café direkt am Radweg mit einem schönen Außenbereich zum Sitzen und schönem Blick ins Tal. Wir trinken Kaffee und heiße Schokolade und lassen uns ein paar Tramezzini für später einpacken.
Die folgenden Kilometer gehen steil bergab und wir lassen es ordentlich laufen
In Perarolo di Cadore erreichen wir den Talboden am Piave
Hier beginnen ruhige, kontemplative Kilometer durch das fast menschenleere Cadore
Die Staatsstraße ist für den motorisierten Durchzugsverkehr gesperrt. Die Autos, die uns auf den 30 Kilometern begegnen, können wir gefühlt an einer Hand zählen, für die Motorräder würden wir beide Hände (und die Füße) brauchen.
Die schöne Äskulapnatter ist vom letzten Jahr
Nach Ospitale di Cadore bringt ein Anschluss zur Schnellstraße wieder etwas Verkehr, ein schöner Radweg am Piaveufer sorgt aber für entspanntes Weiterradeln.
Kurz vor Longarone kreuzen wir den Fluss, der hier zum nationalen Heiligtum „Sacro della Patria“ erklärt ist. Vor gut 100 Jahren starben Zehntausende in den unvorstellbaren Schlachten des ersten Weltkrieges; eine Frontlinie verlief auch am Piave. Mein Großvater (er hat mir seinen Namen vererbt) hat dreieinhalb Jahre seines jungen Lebens Kaiser, Gott und Vaterland gedient, unter anderem in den Dolomiten. Er hatte Glück und konnte unversehrt auf den heimatlichen Bauernhof zurückkehren und diesen einige Jahre später übernehmen.
Wir bleiben für einige Kilometer am linken Ufer auf einem ganz neuen Radweg. Dort steht auch eine kleine Reparatur an: am Seilzug eines Umwerfers reißt die Hülle ein; die Kettenblätter können nicht mehr geschaltet werden. Wir klemmen ein kleines Holzstück zwischen Sattelrohr und Umwerfer und fixieren diesen damit auf dem mittleren Kettenblatt. Das reicht für den Rest der Reise.
Bei Ponte nelle Alpi wechseln wir wieder die Flussseite und haben noch ein paar sehr schöne Radwegkilometer bis Belluno vor uns.
Belluno empfängt uns mit einem großen Flohmarkt
und einer Runde Hugo
Der nächste Morgen empfängt uns mit strahlendem Sonnenschein – und stürmischem Nordostwind. Der holt uns auf den Kilometern, die wir nach Ponte nelle Alpi zurückradeln, ein paar Mal fast vom Rad.
In Ponte queren wir den Piave auf einem (für uns) neuen Radweg an der Eisenbahnbrücke und radeln in Richtung Lago Santa Croce. Im Windschatten der Bergkette wird der Wind deutlich schwächer, außerdem drehen wir unsere Fahrtrichtung und haben in den nächsten Stunden einen passablen Rückenwind.
Die Kilometer bis zum See führen meist am Canale Cellina entlang, ein gemütliches Rollen ist das.
Lago di Santa Croce, an der Mündung des Torrente Tesa, Blick nach Westen
Blick nach Norden. Der See ist als Kite-Revier bekannt, heute am Montag ist allerdings niemand auf dem Wasser und auch sonst ist es ruhig und beschaulich.
Nach dem See müssen wir für ein paar Kilometer auf die Staatsstraße; die Sella di Fadalto ist rasch erreicht
und die zweite große Abfahrt unserer Tour steht an: 300 rasante Höhenmeter hinunter nach Vittorio Véneto.
Auch in Vittorio V. wird das Andenken an den Weltkrieg (der damals noch nicht nummeriert war) hoch gehalten. Ende Oktober 1918, also exakt vor 100 Jahren, fanden hier die letzten Kämpfe zwischen Österreich-Ungarn und Italien statt, die schließlich zum Waffenstillstand von Padua führten.
Wir pausieren für warme und kalte Getränke und versorgen uns in einem Supermarkt mit Kalorien für später.
Wir sind jetzt in der großen Ebene angelangt, die Fahrtrichtung geht wieder nach Osten, der Wind ist wieder kräftig und er kommt von vorne. Trotzdem ist es ein schönes Radeln auf Radwegen und ruhigen Nebenstraßen, oft begleitet vom Fiume Meschio.
Wir finden wieder ein herrliches Platzerl am Meschio für die Mittagsrast, wo wir unsere Speicher mit den Köstlichkeiten aus dem Supermarkt auffüllen und Kraft für den Gegenwind tanken.
Als wir nach einer guten halben Stunde zusammenpacken und uns wieder radelfertig machen, fällt uns eine alte Frau am Flussufer auf, die uns aus gut 20 Metern Entfernung beobachtet. Sie kommt zu mir und spricht mich mit „che bella compagnia – was für eine nette Gesellschaft“ an. Wir plaudern ein wenig über den schönen Tag, über das wunderbare Platzerl am Fluss und wünschen einander noch einen schönen Tag, bevor wir uns wieder in den Wind werfen.
Bis Sacile sind es nur mehr 15 Kilometer, die wir großteils windschattenoptimiert zurücklegen.
Edith und ich kennen Sacile bereits von früheren Radreisen, so halten wir uns heute nur kurz auf ein Eis auf und rollen dann zum Bahnhof.
Der Zug nach Udine ist einer der alten Züge mit Fahrradabteil im Triebkopf, wo man überzeugt ist, dass das Fahrradabteil in einer intellektuellen TEAM-Leistung entwickelt wurde. Ein einzelner Techniker hätte das nicht derart grandios grenzdebil zustande gebracht.
In Udine haben wir eine gute Stunde Aufenthalt, wir radeln flott ins Zentrum zur Piazza San Giacomo. Während ich ein Getränk genieße und die Räder bewache, erkunden meine Begleiterinnen die umliegenden Textilgeschäfte und (fast) alle finden ein schickes Teil für sich.
Mit dem Micotra geht es zurück nach Österreich. Anders als an den Wochenenden in den Sommermonaten bleibt der Radwaggon heute fast leer; nur wenige Exoten sind heute mit dem Zweirad unterwegs.
Fazit: eine wunderschöne Tour, die allen Reisenden sehr gefallen hat. Edith und mir war die Strecke bereits gut bekannt und war klar, dass sie auch unseren Begleiterinnen gefallen wird. Die Tagesetappen haben wir so eingeteilt, dass es allen Beteiligten noch Spaß macht und Lust auf Wiederholung in einer weiteren Tour bleibt.
Hans