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#1055791 - 14.07.14 10:40 Von Pilsen über Cheb nach Marktredwitz
Kowalski
Mitglied
Themenersteller
abwesend abwesend
Beiträge: 71
Dauer:3 Tage
Zeitraum:11.7.2014 bis 13.7.2014
Entfernung:170 Kilometer
Bereiste Länder:deDeutschland
czTschechische Republik

Es ist Freitag. Termine für die nächsten Tage: Finale am Sonntag. Aber kein Grund, wie ich finde, bis dahin daheim zu versauern. Wetterbericht: Regen und Gewitter. Super! Verwöhnt vom guten Wetter hatte ich nämlich bisher unterwegs noch keine Gelegenheit mich widrigen Bedingungen zu stellen. Wie wird das mit Regen und Zelten, Regen und Fahren, Regen und meiner Ausrüstung? Diese Erfahrung fehlte noch in meinem Repertoire. Der Plan: Mit der Bahn nach Pilsen und von dort 3 Tage zurück nach Marktredwitz und von dort wieder mit der Bahn nach Hause. Klingt einfach, ist aber deutsche Bahn.

Nachdem ich für die gewöhnlich überbuchte weil arg strapazierte Verbindung München->Prag die vorsichtige Zusage der Bahnbediensteten hatte, dass zumindest keine Reservierungen notwendig waren und darüber hinaus die entgegen kommende Zusicherung erlangte, dass ich mein Geld wieder erstattet bekäme, falls doch kein Platz mehr für mein Rad wäre, wartete ich optimistisch am Bahnsteig und beäugte mit Argusaugen jeden Radfahrer, der auch nur Anstalten machte, sich meinem Bahnsteig zu nähern. Eine Gruppe von fünf bepackten Radfahren tauchte am Horizont auf und alle Alarmglocken schrillten, doch ergab ein kurzes Gespräch, dass sie zum Glück gen Franken unterwegs waren. Ich wünschte aufrichtig Gute Fahrt. Mein Zug fuhr dann auch bald ein, allerdings ohne Fahrradabteil. So quetschte ich mich in eins der Maximal-Drei-Räder Abteilenden. Dazu gesellte sich eine Mutter mit dem unpraktischsten Kinderwagen der Welt: So ein Zweisitzer-Ding für gleich Zwei-Kinder. Aber immerhin, ich war drin und unterwegs.

Tag 1 - Plzen nach Konstantinovy Lázne
~50km, ~600hm



In Pilsen selbst hielt ich mich nicht lange auf. Durch die Verspätung des Zuges und meiner kurzfristigen Planung war es bereits knapp vor 15 Uhr und das Tagesziel Kemp La Rocca lag noch 50 km vor mir. Dennoch führte mich die Route durch das Stadtzentrum. Dort nutzte ich auch die Gelegenheit um Geld zu wechseln. Nach einem kurzen Intermezzo von Spejbl und Hurvínek ließ ich den Stadtkern hinter mir und war auch ganz froh darum. Das Wetter war auch noch ganz leidlich.



Oh Schreck! Man kann von Glück sagen, dass diese Viecher ausgestorben sind. Stellt euch mal vor so einer läuft einem in gefräßiger Absicht hinterher. Ich denke mal der ist maßstabsgetreu. Da braucht es kein Doping mehr. Dagegen wirkt jeder noch so aufgemotzte Hund geradezu harmlos und sympathisch. Also immer dran denken, wenn es mal wieder "nur" ein Hund ist, der einem Sorgen bereitet. Die Evolution hatte auch noch ganz andere Kaliber im Petto wirr Es hat mich schon sehr gejuckt dem Dino Park einen Besuch abzustatten, aber das weiße Karnickel mit der Uhr trieb mich erbarmungslos weiter. Dabei steh ich eigentlich voll auf Dinosauriern. Ein andermal vielleicht.



Ich komme flott voran, was nicht zuletzt daran liegt, dass ich in Voraussicht der knappen Zeit Garmin angewiesen hatte mir statt Mountainbike die flinkere Tourfahrrad Route zu kredenzen. Landschaftlich angenehm, aber auch unauffällig. Diese Kirche mit Patina hat mich dann aber doch noch rum gekriegt. Irgendwie steh ich auf den verfallenen Look. Um zehn vor Zehn steht die Zeit schön still. War da nicht was? Die Knopperkalypse?



Ein kleines, aber ordentliches Gewitter hat sich kurz nach Ankunft am Campingplatz entladen und alles kräftig eingeweicht. Ich hörte das Grummeln des Donners schon einige Kilometer vor dem Etappenziel. Das spornte mich zusätzlich an. Leider hatte ich derweil auch mit Krämpfen zu kämpfen. In beiden Waden. Keine Ahnung warum. Vielleicht zu wenig Magnesium, schlecht gedehnt oder zuviel gedehnt. Jedenfalls ist es ein abartig komisches Gefühl jeweils kurz vor Krampf in die Pedale zu treten. Der Campingplatz La Rocca an sich war sehr schön; auch im Schlecht-Wetter-Modus. Die Bewirtung einwandfrei. Alles top.



Die Luft nach dem Gewitter war sehr angenehm und bei einem abendlichen Spaziergang gab ich meinen müden Waden Gelegenheit sich von der Treterei zu erholen.

Tag 2 - Konstantinovy Lázne nach Stebnice
~70km, ~1500hm



Der Tag fing viel versprechend an, entwickelte sich aber noch zu einem Gewaltakt. Heute war Mountainbike angesagt. Die Bedingungen durch den Regen die Nacht über schwierig bis schmierig. Ich bin morgens um 8 Uhr bereits aufgebrochen und das ohne Frühstück. Vorräte: Null. Zuckerhaltiges: Nada. Ich hatte darauf spekuliert unterwegs in einer Ortschaft einzukehren. Allerdings war da nichts mit Einkehr. Ganz schlechte Planung! Das ist eine recht dünn besiedelte Gegend hier und ich hätte mal vorher besser ein Zwischenziel mit Restaurant gesetzt. So mühte ich mich doch zusehends und kam meinem persönlichen Grenzwert an Unterzuckerung schon sehr nahe. Ich kenne das zum Glück aus meiner Läuferzeit. "Aggressionen" kommen auf, eingeschränkte Wahrnehmung und eine üble Unlust. Ich steckte somit kurz vor knapp vor dem gefürchteten Hungerast. Die Krämpfe von gestern traten aber nicht mehr auf. Nach 20 km MTB Strecke musste ich abbrechen und in den Tour-Modus schalten.



Die Landschaft kann nichts dafür, die gab sich alle Mühe zu gefallen. Ich bin mal wieder leichtsinnig geworden und habe mir scheinbar gedacht "Ach komm, die kurze Tour, das machste doch mit links." Ich wurde eines Besseren belehrt. Wenigstens habe ich es mir nur selber schwer gemacht. Alles andere schien mir gewogen. Das Wetter hielt und beinahe keine Pannen. Beinahe, weil ich mir irgendwie das linke Pedal zerbröselt habe. Da fehlten auf einmal drei Schrauben. Konnte das aber McGuyver mäßig lösen, indem ich dem anderen Pedal zwei Schrauben mopste.



Die tschechischen (Neben)Straßen haben zum Teil selbst Trail-Charakter. Das Beispiel hier ist noch harmlos. Manchmal ist der Schlaglöcher Anteil bei großzügigen 95%. Macht schon Laune, bergab sowieso.



Hier und da passiere ich kleine Dörfer, sehr idyllisch, sehr abgelegen, aber kein Restaurant, kein Cafe, keine Einkaufsmöglichkeit weit und breit. Meine Gedanken kreisen beinah nur noch um Speisekarten in jedweder Form - ich suche mit Garmins POIs die nächste verbriefte Möglichkeit einer Nahrungsquelle und nehme dafür sogar einen Umweg von gut 10 km in Kauf.



Das Paradies! Es existiert. Der lang ersehnte Moment, die Erlösung. Halleluja! Zuerst kaufte ich mir drei Packungen Gummibärchen und esse davon gleich zwei. Danach kehrte ich noch in ein Wirtshaus ein und ließ mir eine Hühnerbrust mit Käse überbacken servieren. Lecker! Meine Stimmung stimmt wieder. The Power of Nahrung!



Kurz vorm Tagesziel, der Jesenice Stausee. Ein beliebtes Gebiet für Ferienhäuser wie es scheint. Große Teile des Sees sind von mehreren Reihen Sommerhäusern umgeben. Das hat alles so ein bisschen Schreber-Garten-Feeling. Ich war zu kaputt für eine größere Exkursion und begnügte mich mit diesem Anblick. Kurz vorher ergab sich noch eine nette Begegnung mit einem tschechischen E-Bike Rentner. Er konnte nur ganz wenig Deutsch, kein Englisch und ich verstehe halt auch kein Tschechisch. "Dobry den!", also "Guten Tag!", damit hat es sich auch schon wieder. So führten wir eines dieser Gespräche mit Gesten. Aber nicht etwa 2 Minuten, sondern fast ne Stunde. Er war auch Dampfer, Standard-Modell, das kann natürlich mit dazu beigetragen haben, dass wir uns über niedere Verständigungsprobleme erhaben fühlten. Und Fußball war natürlich auch Thema.



Der Campingplatz Stebnice war auch sehr schön. Sehr familiär und unscheinbar, hatte mich aber bewusst für diesen entschieden. Dort traf ich auf ein holländisches Ehepaar, die von Holland aus nach Prag (vorher quer durch ganz Deutschland) unterwegs waren. Wir unterhielten uns lange über verschiedene Aspekte der Radreisen und der Mann, Ronald, gab mir Empfehlungen und Tipps für Holland. Ich habe Anfang September 2 Wochen Urlaub, was ich für eine größere Tour nutzen werde und war daher für Anregungen ganz dankbar. Allerdings habe ich meine Planung noch nicht abgeschlossen und ob es Holland wird oder einschließt, ist noch nicht sicher.

Tag 3 - Stebnice nach Marktredwitz
~50km, ~500hm



Ich breche wieder früh auf und bin gegen 9 Uhr in Cheb, wo ich mir in einem zentralen Cafe ein Frühstück genehmige. Der Kellner ist freundlich, spricht deutsch und ist an meinem Gepäck-Setup interessiert. Er plane ähnliches. So kommen wir schön ins Gespräch. Da heute nicht mehr viel ansteht, ist ja Final-Tag und ich pünktlich zum Spiel daheim sein will, lasse ich es locker angehen und schiebe noch etwas Kultur dazu. Die Burg Cheb hab ich mir deshalb angelacht.



So sieht sie aus, mit ihrem markanten "Schwarzen Turm".



Und die sehenswerte Kapelle, die besonders von außen einen sehr guten Eindruck macht.



Aber auch innen kann sie sich sehen lassen. Insbesondere der enge und wohl authentische Aufstieg ins Obergeschoss und bis hinauf zum geheimnisvollen Alchemisten-Zimmer vermitteln einen guten Eindruck über die mittelalterlichen Raumverhältnisse. So großzügige Treppenhäuser wie wir heute, hatten die jedenfalls nicht.



Bei der Verteidigung ließ man sich jedoch nicht lumpen. Da war das Größte nur groß genug.



Bei der weiteren Fahrt hatte ich dann schlussendlich meine Regentaufe. Heftiger Starkregen. So stark das ich das Rückfahrlicht im Blinkmodus betreiben musste, um überhaupt gesehen zu werden. Meine Regenjacke hielt etwa 1 Stunde der Naturgewalt stand, ehe sie anfing nachzugeben. Unter normalen Umständen hätte ich den Starkregen auch gar nicht durchfahren, sondern nur bis zur nächsten Unterstellmöglichkeit. Ich wollte das aber an die Grenzen treiben. Meine sonstige Ausrüstung erwies sich als tauglich. Die Satteltasche hielt den Wassermassen stand. Auch vorne alles dicht. Die Fahrt durch den Regen selbst war schon sehr geil; da kommt so eine leichte kindische Faszination auf, die eben jene auch dazu verleitet in Pfützen herum zu hüpfen.



Dennoch, irgendwann war es gut und wurde mir dann zu unangenehm feucht. Also habe ich mich an einer Brücke untergestellt. Fazit zum Schlecht-Wetter-Test: Für längere Touren stelle ich es mir noch eine Ecke anspruchsvoller vor, da man irgendwann vor der Trocknungs-Problematik steht. Wenn ich mir vorstelle, dass man 2-3 Tage starken Dauerregen hätte, wäre es schon sehr unangenehm, was das Zelten angeht und auch wird man eine gewisse Grundfeuchte aus seinen Sachen schwer heraus halten können. Leichter Regen macht mir aber gar nichts, im Gegenteil, das ist beim Fahren erfrischend und fällt auch beim Auf- und Abbau nicht ins Gewicht. Starkregen ist aber zum Glück meist nur von überschaubarer Dauer.



In Marktredwitz angekommen wartet noch die traditionelle Belohnung. Der Joghurtbecher.



Dann ab in den Zug, der von anderen Reiseradlern bereits mit Rädern vollgestopft wurde. Der nette Schaffner weist mir aber dennoch einen Platz zu. Die Fahrt wird aber zum orientalischen Erlebnis, was die Füllmenge des Zuges anbelangt. Ich hatte damit gerechnet, durch das bevorstehende Deutschlandspiel wären die Leute daheim und warten auf das Spiel; in Wahrheit fand eine Art Völkerwanderung vornehmlich junger Leute vom ländlichen ins städtische "Public Viewing" Gebiet statt. Gegen 19 Uhr war ich jedenfalls wieder daheim. Und das mit der Weltmeisterschaft, das hat dann ja auch noch geklappt. Ein gelungenes Wochenende. Hat mir gut gefallen.

Geändert von Kowalski (14.07.14 10:43)
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#1055798 - 14.07.14 10:49 Re: Von Pilsen über Cheb nach Marktredwitz [Re: Kowalski]
Toxxi
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Beiträge: 22.174
Sehr schön! bravo Tschechien ist immer wieder klasse. Will in diesem Jahr auch noch mal in die Gegend.

Gruß
Thoralf
Meine Räder und Touren im Radreise-Wiki
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#1055957 - 14.07.14 23:50 Re: Von Pilsen über Cheb nach Marktredwitz [Re: Kowalski]
Mooney
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Beiträge: 732
Ja, erneut ein sehr gelungener Report. Danke!

Wolfgang
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