Von Lissabon nach Santiago de Compostela Nachdem wir von der letztjährigen Tour, dem Jakobsweg von Sevilla nach Santiago de Compostela (die Via de la Plata), so begeistert waren und wir am Zielort von anderen Radlern die Empfehlung für den portugiesischen Jakobsweg bekommen haben, haben wir uns dieses Thema näher angeschaut. Die Literatur dazu ist (auch hier im Forum) spärlich, aber die Italiener und Amerikaner, die uns letztes Jahr in Santiago von ihrer Portugiesischen Tour erzählt haben, waren unabhängig voneinander der Meinung, dass es der schönste bzw. radtauglichste Jakobsweg wäre.
Im Web habe ich einige Infos gefunden, das meiste davon in spanischer Sprache, auch einige halbwegs brauchbare Videos und so habe ich mich an die Tourenplanung gemacht. Es gibt ja nicht nur den einen Camino portugues, sondern mehrere Varianten und ich habe versucht, ein attraktives Stück Landesinneres mit schönen Küstenabschnitten zu kombinieren und dabei auch die interessantesten Städte irgendwie mitzunehmen.
Herausgekommen ist ein Plan mit 10 Tagesetappen, vorweg ein ganzer Tag Lissabon und hintennach zwei Reservetage.
Der Hinflug geht wieder von Wien, der örtliche Radhändler hat wieder zwei Radkartons für uns zur Seite gelegt, die ich (ebenfalls wieder) mit Laufrollen versehen habe. Die Anreise zum Flughafen Wien erfolgt mit dem Zug, die Aufgabe des Gepäcks und der Räder erfolgt rasch und problemlos.
In Lissabon geht ebenfalls alles flott, in einer ruhigen Ecke des Terminals schraube ich unsere Räder wieder zusammen und schon machen wir uns auf den Weg in die Stadt. Der Großteil der Strecke führt auf einem Radweg bzw. sauber markierten Radstreifen. Am Eingang zu einem größeren Parkgelände auf unserem Weg in die Stadt steht ein Polizeiauto, ich bin unsicher und frage die beiden Polizisten, ob wir da mit den Rädern ….
Sie sehen mich etwas entgeistert an (so banale Fragen werden wohl nicht oft gestellt) und geben ein eindeutiges Handzeichen.
Den Abend verbummeln wir im Zentrum und ja, dort ist es tatsächlich so steil, wie man es uns gesagt hatte. Es bleibt auch am Abend angenehm warm und wir essen im Freien, etwas abseits von den großen Touristenmassen, natürlich meereslastig und durchaus köstlich.
Für den nächsten Tag haben wir eine Hop-on-hop-off-Tour gebucht, klugerweise bei Carris, dem Betreiber der Bus- und Straßenbahnlinien. Wir können also auch 24 Stunden lang das Öffi-Netz nutzen.
Wir lassen uns also per Bus durch die Stadt kutschieren, steigen an den wichtigsten Sehenswürdigkeiten aus, genießen Kaffee und Pasteles,
und marschieren uns die Beine in den Bauch
Natürlich fahren wir auch mit den typischen Straßenbahnen und dem berühmten Aufzug Santa Justa von der Unter- in die Oberstadt. Die Viertelstunde anstellen für den Aufzug zwischen Holländern, Briten und Asiatinnen bringt den Beinen etwas Erholung.
Abends wollen wir nach dem Abendessen keinen langen Weg mehr haben (meine Frau kommentiert das mit „wir werden alt“) und landen bei einem Italiener in der Nähe unseres Hotel. Es ist Freitagabend, das Lokal ist rammelvoll, das Essen gut und jedenfalls deutlich besser, als die Rechtschreibfehler auf der Speisekarte befürchten lassen. Pasta und Pizza scheinen übrigens in ganz Portugal recht beliebt zu sein, an die Schreibweise Pizzaria werde ich mich in den zwei Wochen nicht gewöhnen.
Etappe 1, 20.04.2024: Lissabon – Azambuja Am nächsten Tag brechen wir zeitig auf und radeln als erstes noch einmal zum imposanten Entdeckerdenkmal am Tejo-Ufer hinaus. Das soll unser Startpunkt sein und wir genießen den Rückenwind auf diesen Kilometern, wohlwissend, dass es auf der gesamten Tour nicht sehr viele mehr sein werden.
Der erste Tag geht nach Nordosten und verläuft immer in der Nähe vom Tejo, dem Fluss, den wir letztes Jahr in Spanien als Tajo überquert haben. Die Kilometer aus der Stadt hinaus treten wir großteils auf Radwegen bzw. streifen entlang des motorisierten Verkehrs, sind aber gar nicht so übel.
Schön wird es dann „auf dem Land“ und wir folgen über weite Strecken dem Caminho Portugues bzw. einer (ausgeschilderten) Variante davon. Dabei überholen wir die ersten Fußpilger, die sich für die Variante im Landesinneren bzw. für die Variante über den Wallfahrtsort Fátima entschieden haben.
Wir pausieren in einem kleinen Ort, im Café gibt es an Speisen allerdings nur Süßes (Pasteles), wir besorgen uns daher ein paar Kleinigkeiten im Supermarkt, die wir ein paar Kilometer später auf einem schönen Rastplatz am Tejo-Ufer verspeisen. Drei Spanier aus Bilbao mit edlen E-Mountain-Bikes gesellen sich zu uns und wollen wissen, ob wir ebenfalls auf dem Weg nach Santiago wären unsere Räder ebenfalls von bicigrino geliehen sind. Dann sind sie auch schon wieder verschwunden – auf der Suche nach ihren Freunden. Sie sind zu siebt auf dem Weg nach Santiago und haben sich verloren und einige kein Mobiltelefon mit dabei.
In Azambuja schlafen wir in einem Alojamento Local, das offensichtlich hauptsächlich von Pilgern frequentiert wird. Die Räder können im Hof abgestellt werden, die mikrophonischen Sprechproben vom Stadtplatz um die Ecke mit aufgebauter Bühne lassen für die Nacht Schlimmes befürchten. Zum Abendessen trinken wir etwas mehr Bier als der Durst verlangt, aber es hilft nichts. Irgendwann zwischen elf und halb zwölf geht der Lärm los und wir drücken uns die Polster auf die Ohren. Es ist Samstagnacht und das wird mit einem großen kakophonischen Konzert gefeiert und wir sind im Bett liegend mittendrin.
Etappe 2, 21.04.2024: Azambuja – Fátima Am nächsten Morgen frühstücken wir um die Ecke, bestaunen die Müllberge vom Vorabendfest auf dem Stadtplatz und werfen uns in den zweiten Tag. Eine lange Etappe mit vielen Höhenmetern steht an und der Wind bläst wieder von vorne. Die Temperaturen sind von der Früh weg sehr angenehm. Ich habe die Etappe auf möglichst verkehrsarmen Nebenstraßen geplant, was hier ein anstrengendes Auf und Ab bedeutet. Für die ersten 30 Kilometer brauchen wir zwei Stunden. Streckenweise weichen wir dann auf die Hauptstraße aus, wo die Hügel etwas geglättet und Steigungen etwas sanfter sind.
Die Landschaft ist schön und abwechslungsreich
aber die Steigungen kosten viel Kraft und zwingen uns ab und zu aus dem Sattel (auch wenn man die Steilheit auf den Fotos nicht sieht):
Es ist Sonntag und wenig Verkehr, unterwegs verpflegen wir uns in den Ortschaften an Cafés und ergattern dabei einmal für den Hunger sogar Pikantes , eine Art Pizzastangerl.
Das letzte Dutzend Kilometer legen wir steigungsschonend und fotofrei auf der EN 360 zurück. In Fátima kommen wir erst gegen 17 Uhr an, auf Stadtbummel haben wir heute keine große Lust, nach 93 Kilometern und 1.400 Höhenmeter steht uns der Sinn nach Dusche und Nahrungsaufnahme. Meine Frau kommentiert auch heute irgendwas in der Art von Älterwerden und so.
Wir suchen uns ein feines Restaurant etwas außerhalb des devotionalienbetonten Zentrums, auch heute ist das Abendessen fischlastig und wird von einer Flasche hiesigen Weißweins begleitet. Der freundliche Kellner kann uns sprachlich nicht einordnen: Deutsch würde er erkennen, außerdem wäre ich zu klein für einen Deutschen, ebenso könne ich deswegen kaum Schwede oder Norweger sein. Die Auflösung stellt ihn dann zufrieden und wir alle sind glücklich.
Etappe 3, 22.04.2024: Fátima – Figueira da Foz Unser dritter Tag beginnt auch wieder sonnig, mit angenehmen Temperaturen und überschaubarem Verkehrsaufkommen durch abwechslungsreiche Landschaften,
natürlich immer wieder auch durch Eukalyptuswälder.
In einer kräftigen Steigung ziehen irgendwann E-Biker an uns vorbei. Es sind die Spanier aus Bilbao vom Tejo-Ufer (für sie war es natürlich das Tajo-Ufer, wie sie bemerken) und heute sind sie alle sieben. Ja, sie haben sich an jenem Nachmittag rasch wieder gefunden und achten seither darauf, dass sie sich nicht noch einmal verlieren. Wir plaudern noch ein wenig, dann geben sie Gas und ziehen den Hügel hinauf. Oben angekommen verschnaufen meine Frau und ich ein wenig, da sind sie unseren Blicken schon lange entschwunden.
Auch der heutige Tag ist ein heftiges Auf und Ab, erst in Richtung Küste wird die Landschaft etwas sanfter und wir rollen bei nur leichtem Gegenwind nach Figueira da Foz.
Die letzten Kilometer des Tages führen über Brücken der Mondegomündung, die wir trotz Höllenverkehr recht gut hinter uns bringen. Figueira da Foz ist ein alter Nobel-Badeort, der viel vom Charme vergangener Tage ausstrahlt. Wir verbummeln den Abend, essen wieder Bacalao bzw. Tagliatelle und spülen mit gutem Weißwein.
Etappe 4, 23.04.2024: Figueira da Foz – Coimbra Der vierte Tag auf dem Rad wird ein kurzer werden, bis Coimbra sind es nur 50 Kilometer und entlang des Rio Mondego stehen keine großen Steigungen an. Der Wind bleibt uns treu und kühlt die Gesichter.
Die Ausfahrt aus Figueira da Foz ist richtig malerisch,
Der Blick zurück auf die gestrige Flussquerung ist es weniger
Einige Kilometer verlaufen direkt am Flussufer
Immer wieder fallen die vielen Storchennester auf:
Später gelangen wir dann auf eine schmale Straße mit Gegenverkehr. Den Großteil der Portugiesen erleben wir auf unserer Reise als rücksichtsvolle Verkehrsteilnehmer, heute sind aber einige Finalisten im Nationalen Wettbewerb für minimalen Überholabstand zu Radfahrern unterwegs.
Coimbra (im Mittelalter für gut 100 Jahre Hauptstadt Portugals, jetzt sehr studentisch geprägt) gefällt uns gut und wir verbummeln den Nachmittag.
Abends essen wir in (nun, eigentlich VOR) einem winzigen Lokal: Vier kleine Tische vor der Tür, ein einziger größerer Tisch im Innenbereich, die Köchin schaut alle Viertelstunden einmal bei der Tür heraus, ob es auch schmeckt und wir zufrieden sind. Die Karte ist klein gehalten, aber natürlich gibt es auch hier Bacalao (wenn man es auch auf dem Bild nicht erraten würde):
Etappe 5, 24.04.2024: Coimbra – Aveiro Der fünfte Tag führt uns wieder an die Küste, von Coimbra nach Aveiro, das oft als Venedig Portugals bezeichnet wird.
Nach einigen Kilometer mit viel Morgenverkehr biegen wir auf Nebenstraßen ab, die hier über lange Strecken auch als Jakobsweg ausgeschildert sind
und wir immer wieder Pilger überholen
Der Gegenwind ist schwach, die Landschaft ist abwechslungsreich, die Steigungen halten sich in Grenzen, es ist ein Genusstag im Sattel.
Die Straßenschilder sind in ganz Portugal als Fliesen ausgearbeitet
Richtung Küste wird der Wind wieder stärker und der Tritt in die Pedale verlangt wieder mehr Kraft, schön ist es trotzdem
Aveiro ist schön und sehr touristisch
Wir verzichten auf die obligate touristische Bootsrunde und schauen dem Treiben lieber bei einem Aperol Spritz zu und verbringen auch sonst einen entspannten und angenehmen Abend.
![[ von live.staticflickr.com]](https://live.staticflickr.com/65535/53696542423_029737cc98_b.jpg)