Hallo liebes Forum,
am 07.07. war es soweit. Ich wollte meine erste mehrtägige Radtour antreten. Es sollte von Salzgitter mit dem Zug nach Berlin, und von dort aus mit dem Rad zurück nach Salzgitter gehen. Insgesamt sollten ca. 320km in 4 Tages-Etappen zurückgelegt werden. Zunächst wollte ich, ob der Weigerung meines besten Freundes, mich zu begleiten, alleine fahren. Nachdem wir aber dann eine ca. 70km Tour in der Umgebung gemeinsam gefahren waren, hatte er doch Blut geleckt und begleitete mich auf meiner Reise auf dem Börderadweg Berlin-Hameln mit seinem Raleigh Nightflight Upright. Eines Vorweg: wir hatten ein Riesen-Glück mit dem Wetter. Der Juni war bekanntermaßen sehr verregnet und in mir wuchsen schon die Befürchtungen, das Wetter könnte mir einen Strich durch die Rechnung machen. Nichts desto Trotz war ich entschlossen zu fahren, wie auch immer das Wetter werden würde. Ende Juni wurde es dann immer besser und wärmer und in der Woche vor dem Tourstart prophezeite der Wetterbericht Temperaturen bis 30° und eine stabile Gutwetterphase über die gesamte kommende Woche. Beste Voraussetzungen für eine solche Unternehmung. Also wurden die Regensachen gaaaaanz unten in den Packtaschen verstaut. Ich sollte sie tatsächlich nicht brauchen...
Ausrüstung:
Fahrrad: HP Velotechnik Street Machine Gte
Packtaschen: 1 Paar Ortlieb Back Roller Classic
Zelt: Jack Wolfskin Gossamer 1-Personen-(Bivak)Zelt
Isomatte: Exped SIM Light Basic 2.5
Schlafsack: Vaude Sioux 100
1. Tag: (Salzgitter-)Berlin-Kloster Lehnin (68km)
Um 6 Uhr klingelte an diesem Sonntag mein Wecker. Also hieß es aufstehen, duschen und die Sachen zusammenpacken, die seit gestern Abend über das Wohnzimmer verstreut lagen. Mit Checkliste war das schnell erledigt, und mir blieb noch Zeit für ein Frühstück und Kaffee. Als das Rad beladen war, fuhr ich noch an die Tankstelle, um den Reifendruck zu prüfen und Geld zu wechseln. Am Bahnhof angelangt löste ich am Automaten ein Schönes-Wochenende-Ticket sowie 2 Fahrradkarten. Um 8:15 Uhr saß ich in der Regionalbahn nach Braunschweig. Hier traf ich dann meinen Begleiter Frank und nach einem Coffee to Go ging es mit dem Regionalexpress nach Magdeburg und von dort aus weiter nach Berlin. Schon in der Bahn nach Magdeburg trafen wir 2 Junge Männer, die mit ihren Mountainbikes zugestiegen waren. Man kam ins Gespräch und die Beiden erzählten von ihrer ersten Radtour, die gleich durch die Alpen von Garmisch bis an den Garda-See führte. Diesmal wollten sie es ruhiger angehen lassen und den Oder-Neiße-Radweg fahren, von der tschechischen Grenze bis an die Ostsee. Wir haben bis Berlin noch über alles mögliche gequatscht. Es war sehr nett.
In Berlin angelangt, standen wir vor der ersten Herausforderung der Tour. Berlin-HBF... wie zum Kuckuck kamen wir hier nur raus!? Nachdem die Schließzeiten der Aufzüge so knapp sind, dass gerade mal ein Fußgänger den Aufzug betreten kann, hat sich Frank beherzt in Bewegung gesetzt und wurde auch prompt von der Aufzugtür erfasst. Danach war die Zeit für mich zu knapp, um in den Aufzug zu gelangen. Nach weiteren 2 Versuchen, den Aufzug zu benutzen gab ich auf und fuhr mit der Rolltreppe. Nach einem weiteren Kaffee auf dem Vorplatz des Bahnhofs ereilte uns auch prompt das erste Großstadt-Erlebnis. Wir wurden angebettelt.
Um 13:30 Uhr ging es dann los. Zunächst in Richtung Reichstag und Brandenburger Tor, denn das mussten wir noch sehen. Anschließend fuhren wir auf der Straße des 17. Juni stadtauswärts, was zunächst sehr öde war. Später ging es dann nach links an die Havel und entlang der Havelseen auf einer sehr schönen Route Richtung Potsdam. Viele Radfahrer waren hier unterwegs. Auf dieser Strecke benutzt der RBH die Europaroute R1. Das hat mir Appetit auf mehr R1 gemacht. Hier stellte sich dann auch das Gefühl 'unterwegs zu sein' ein. In Potsdam angekommen haben wir uns in einem Cafe am Brandenburger Tor (Potsdam hat auch eins...) ein leckeres Eis gegönnt bevor es in ländlicher Umgebung langsam auf Kloster Lehnin, unserem Etappenziel, zu ging. In Bliesendorf machten wir die letzte kurze Pause vor dem Tagesziel. Was folgen sollte, waren 7km purer, tiefer und feiner Sand. Auf dem Liegerad ist das noch nerviger als auf dem Upright und hat mich sehr gestresst. Für diese 7km haben wir knapp über eine Stunde benötigt. Der Campingplatz entpuppte sich dann doch nur als Waldgaststätte, wo man in einer Ecke des Grundstücks ein paar Zelte aufstellen konnte.
Beim Eintreffen wurden wir vom Campingplatzbetreiber gebeten, erst mal in Ruhe aufzubauen und uns dann anzumelden. Das haben wir dann auch getan, allerdings war dann schon die Küche kalt. Das hat uns dann wieder auf den Boden der Tatsachen geholt, denn wir hatten nicht eingekauft. Die Wirtin konnte dann aber doch noch davon zu überzeugt werden, uns eine Portion Pommes zuzubereiten. Nach dem Verspeisen der selbigen und 2 Hefe-Weizen war dann die Nachtruhe angesagt. Hier merkte ich zum ersten Mal, dass mein Zelt für eine solche Unternehmung doch etwas klein geraten ist. Das Ausziehen gestaltete sich schwierig, aber es ging. Sitzen ist natürlich in dieser Art Zelt nicht möglich. Allerdings macht das Gewicht von ca. 1,5 Kilogramm es zu der idealen Unterkunft für Radtouren, wenn man kein 5-Sterne-Zelt braucht und nur darin schlafen möchte. Für längere Aufenthalte würde ich was Größeres mitnehmen. Die Nacht allerding schlief ich gut und war morgens unerwartet gut ausgeruht.
2. Tag: Kloster Lehnin - Plötzky (109km)
Wir standen um ca. 7:00 Uhr auf und es gab erstmal einen leckeren, auf dem Esbit-Kocher zurbereiteten, Kaffee. Nachdem die Zelte abgebaut und das Gepäck verstaut war, machte sich dann die mangelhafte Nahrungszufuhr vom Vorabend bemerkbar. Es musste ein Frühstück her. Im örtlichen Discounter konnten wir uns mit Brötchen und Kaffee versorgen. So gestärkt setzten wir Kurs auf das erste Zwischenziel: Der Mittelpunkt der ehemaligen DDR. Nach einer weiteren nervenden Sandstrecke, auf der die Bremsen (also die Viecher) auch noch aktiv wurden, ist es dann passiert. Wir waren so begeistert, dass die Strecke wieder befahrbar wurde, dass wir eine Abbiegung verpassten und uns in einem Waldgebiet verfuhren. Das resultierte dann in etwa 2km Umweg über schlecht befahrbare Waldwege, bei dem wir wiederum fast eine Stunde verlohren. Was jedoch im Nachgang gut war, denn am Mittelpunkt der ehemaligen DDR bei Weitzgrund traf ca. 20 Minuten nach uns ein Paar ein. Der Dialog war ungefähr der Folgende: Wir:"Hallo! Wo kommt ihr denn her?" Paar:"Aus Berlin!" Wir:"Cool! Wir auch! Und wo gehts hin?" Paar:"Nach Salzgitter." Wir:"Cool! Wir auch!"
Das Paar hatte allerdings einen 6-Tages-Plan, so dass wir uns leider wieder trennen mussten. Dennoch sind wir ein Stück gemeinsam gefahren, was sehr viel Spass gemacht hat. Falls ihr hier mitlest: Es hat uns gefreut, eure Bekanntschaft zu machen!
Vorsorglich haben wir dann auch am geplanten Campingplatz in Plötzky angerufen, um die Öffnungszeiten der Gastronomie zu erfragen. Wir wollten nicht schon wieder hungrig in die Schlafsäcke kriechen. In Möckern wollten wir eine Eispause einlegen. Allerdings scheint es im Osten Deutschlands die Sitte zu geben, dass Montags sämtliche Gastronomie geschlossen hat. Wir mussten ein bisschen durch Möckern kreuzen um in einem Hinterhof ein kleines geöffnetes Eiscafe zu finden. Das Eis schmeckte wie der Himmel auf Erden
Nach dem Auffüllen der Wasserreserven im örtlichen Discounter ging es weiter über Gommern zu unserem Tagesziel, dem Ferienpark Plötzky bei Schönebeck. Der Aufenthalt hier war krasses Kontrastprogramm zur vorherigen Nacht. Wir duschten gut, aßen reichlich und gut und wir schliefen gut.
3. Tag: Plötzky - Warberg (82km)
Wieder standen wir um 7:00 Uhr auf. Heute standen nicht ganz so viele Kilometer auf dem Programm und so ließen wir uns Zeit. Als wir den Esbit-Kocher klar machten, kam ein Camper aus Braunschweig zu uns herüber und bot uns an, heißes Wasser für den Kaffee zu bereiten. Das nahmen wir natürlich an, da wir dann nicht mit offenem Feuer hantieren mussten. Der Deal ging so: Wir bekamen heißes Wasser, und er einen Löffel unseres löslichen Kaffees
Unser heutiges Ziel hieß Warberg am Elm. Wir waren dort bei einem Kollegen von mir eingeladen. Als Rückfalloption hatten wir den Campingplatz in Räbke, nur ein paar Kilometer weiter, geplant. Bis auf ein Stück, was offensichtlich mal ein Bahndamm gewesen war, den man nur der Gleise und Schwellen beraubt hatte und mit einem Schild "Weg" versehen hatte (Ok, Ok, hier übertreibe ich...), verbesserten sich die Wege zusehens. Unsere Eispause machten wir heute in Seehausen bei Wanzleben. Das Eiscafe war, sagen wir, skurril, hatte aber seinen eigenen Charm. Draußen stand allerhand Kitsch herum und das Interieur war eine Mischung aus Eisdiele, Souvenirladen, Kneipe und Kuriositätenkabinett. Hier trafen wir einen Herrn, der aus Bremen in Richtung Elbe fuhr und sich noch nicht so recht sicher war, wie seine Reise weiter gehen würde. Wir setzten unseren Weg ohne besondere Vorkommnisse fort und erreichten um 18:00 Uhr unser Ziel, an dem uns mein Kollege köstlich bewirtete, bevor es in die Falle ging.
4. und letzter Tag: Warberg - Salzgitter (58km)
Unendliche Niedergeschlagenheit. Das Wetter sah nach Regen aus, es war kühl und unsere Reise würde heute enden. Mein Kollege musste heute arbeiten, hatte uns aber einen Schlüssel zu seiner Wohnung übergeben und frische Brötchen für uns vorbereitet. Wir hatten die Wahl, ob es über den Elm oder südlich daran vorbei gehen sollte. Wir entschieden uns für ersteres. Hier erreichten wir dann mit brachialen 213 m.ü.NN den höchsten Punkt unserer Tour
Das Wetter wurde nicht besser und das Stück zwischen Schöppenstedt und Wolfenbüttel zog sich wie Kaugummi. Als wir endlich Wolfenbüttel erreichten, bog Frank nach Braunschweig ab, ich fuhr weiter nach Salzgitter. Der 'Verlust' der Begleitung deprimierte mich fast. Ich wollte nur noch nach Hause. Hier kam ich dann auch nach 316km wohlbehalten an.
Fazit:
Meine erste Mehrtagestour hat mir einen Heidenspass gemacht. Das Wetter und absolute Pannenfreiheit taten ihren Teil dazu. Ich plane bereits an einer weiteren Tour für nächstes Jahr. Diesmal etwas länger... vielleicht 6 oder 8 Tage. Das Gefühl, aus eigener Muskelkraft eine Stecke zurückgelegt zu haben, die viele sogar mit dem Auto scheuen, macht mich zugegebenermaßen etwas stolz. Für die meisten von euch mögen 316km in 4 Tagen Peanuts sein, aber für mich ist das ein erhebendes Gefühl. Die o.a. Ausrüstung hat sich als etwas rudimentär, aber durchaus zweckmäßig und vor allem leicht erwiesen. Die Campingausrüstung inkl. Zelt, Isomatte und Schlafsack wiegt grade mal 3kg. Für längere Touren ab ca. einer Woche werde ich wohl ca. 2kg mehr zugunsten des Comforts im Zelt mitnehmen. Besonders die fehlende Möglichkeit im Zelt zu sitzen spielt hier die Hauptrolle. Außerdem fehlt bei schlechtem Wetter die Abside. Mit 2 Ortliebs mag es noch gehen, denn die passen grade so noch mit ins Zelt, mit mehr Gepäck wirds aber zu eng.
Die Street Machine hat sich als hervorragendes Tourenrad erwiesen. Sie ist bequem, kann eine Menge zuladen und bleibt trotzdem gutmütig im Fahrverhalten. Nur auf Sand und groben oder losen Schotterpisten ist sie einem Upright unterlegen. Hier fehlt einfach die Möglichkeit, mit dem Oberkörper zu arbeiten.
Leider kam die Fotografie auf der Tour deutlich zu kurz. Das werde ich das nächste mal verbessern. Toll war der Kontakt zu vielen Radreisenden, die man so auf dem Weg trifft. Besonders der Süd-Westen von Berlin und Potsdam boten Gelegenheit für viele nette Gespräche.
Die Tracks liegen hier:
http://www.gpsies.com/mapFolder.do?id=19197Alles in Allem war es ein Erlebnis, dass es auf jeden Fall zu wiederholen und auszubauen gilt. Mich hat der Virus voll erwischt. Ich hoffe, euch hat das Lesen genau so viel Spass gemacht, wie mir das fahren und schreiben
Liebe Grüße ... Lars