Re: Pausen auf der Tour

von: veloträumer

Re: Pausen auf der Tour - 29.05.08 16:03

In Antwort auf: Uli

Zitat:
Warum hat ein Donauwegradler bei 15 km/h mehr Genuss als ein Alpenradler bei 5 km/h rauf und 70 km/h bergab. Und bei 25 km/h flach zieht die Landschaft noch langsam genug vorbei, dass ich das gleichermaßen genießen kann wie jemand, der nur 15-20 km/h fährt.

Dafür müssten wir definieren, was "geniessen" ist. Fakt ist, dass man deutlich weniger "Details" mitbekommt, je schneller man unterwegs ist. Deswegen halte ich den Satz

Zitat:
Zudem erradeln die "schnellen" Radler mehr Landschaft, mehr Orte, mehr lokale Kulturaspekte - also auch mehr Genuss

für nicht haltbar. Denn er heisst in der Konsequenz, dass jemand, der mit 30 km/h unterwegs ist automatisch mehr Genuss hat, als einer mit 15 km/h.

Ganz so einfach ist es denn doch nicht, allein die Zeit, etwas zu betrachten, bedeutet noch nicht den höheren Genuss. Eine lange Sinfonie ist noch kein Garant für hohen Musikgenuss, manchmal reicht ein Song von wenigen Minuten. Es ist auch unklar, ob der Langsamradler wirklich genießt, oder ob er sich nur zeitlich länger quält. Wenn du zu lange auf dem Fleisch kaust, schmeckt es nicht mehr - was nicht heißen soll, es ungekaut runterzuschlucken...

Wer untrainiert ist (und damit automatisch auch immer zu den etwas langsameren Radlern gehört), wird bestimmte "anstrengende" Regionen ganz meiden. Damit entgehen ihm Landschaft, die aufgrund der unmittelbaren Natur auch ein intensiveres Naturerlebnis bewirken. Außerdem pedaliert selbst der bestens trainierte Reiseradler ziemlich langsam die großen Berge hoch - langsamer als der untrainierte in der Ebene. Luft, Licht, Berge bewirken eine ganz andere Wahrnehmung beim Radler als unten im Tal. Murmeltiere sieht man eben erst mit etlichen Höhenmetern aufwärts usw. Kommt mal eine uninteressante Strecke, kann mit Tempo die auch mal schneller überbrücken, um schneller wieder in eine "genussreiche" Region zu kommen.

Eine meiner Thesen ist ja, dass der Genuss sich aus verschiedenen Faktoren zusammensetzt - das Geschaffte - also bergauf, aber auch die Abfahrt danach - sorgen für eigene Genussfaktoren, die man sich als untrainierter Flachradler eben nicht kaufen kann.

Wenn der Schnellradler großzügige Pausen dazu benutzt, sich in Städten und anderen Orten genügend Zeit zu nehmen, kann er bei gleichen Kilometern an einem Tag mehr genießen als ein Langsamradler. Erst wenn der Schnellradler auch noch hektisch alle Besuchspunkte meidet und von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang unterwegs ist, genießt er weniger. Ich habe aber schon schnelle Reiseradler getroffen, die im Sommer gegen 17 Uhr ihr Ziel zu erreichen suchen, um noch abends zu entspannen und zu genießen - einer beendete sogar seine Etappen bereits gegen 14-15 Uhr! (Ich selber fahre gerne bis Dunkelheit - oder zumindest bis Für-gerade-noch-was-zum-Essen-kriegen; mache aber auch lange Badepausen tagsüber.)

Das Genießen hängt also nicht von schnell oder langsam ab, sondern davon, ob man sich für einzelne Genusspunkte Zeit nimmt, und auch davon, wie gut man seine Sinne in die Natur und die befahrenen Orte reinhängt. Der Genuss durch Leistung wollte ich auch nicht von Höchstleistungen abhängig machen, sondern von persönlichen Leistungsgrenzen - wobei ich ganz bei der Argumentation von SusAnne bin - also wenn jemand stolz sein kann, als alter oder untrainierter Mensch 40 km bewältigt zu haben. Ein trainierter Zustand kann einem aber helfen, neue und intensivere Genusserlebnisse zu erradeln (Berge etc., s.o.).